Teilen statt besitzen: Carsharing ist eine soziale Innovation. Und hat nicht das Geringste mit „Verzicht“ zu tun. Sondern mit cleverer Nutzung, die nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel schont. Umweltschutz ist kein „notwendiges Übel“, sondern ein schnellwachsender Markt.
Weitere Beispiel gefällig? Der Markt für erneuerbare Energien in Deutschland ist von 0,6 Mio. Kunden im Jahr 2005 auf 11,0 Mio. Kunden im Jahr 2017 gewachsen. Der Markt für weltweite Bio-Lebensmittel im Zeitraum von 1999 bis 2015 von 15,2 Mrd. US-$ auf etwa 76 Mrd. US-$. „Wachstum“ ist das Schlüsselwort. Die Gretchenfrage lautet: Müssen wir unser Wachstumsdenken in Frage stellen? Müssen wir unser Wirtschaften in neue Bahnen lenken? Und falls ja: wie?
Manche Beziehungen sind schwierig: China und die EU. Großbritannien und die EU. Politik und Wissenschaft. Staat und Wettbewerb. Eltern und Lehrer. Und wie ist es um die Beziehung zwischen Ökonomie und Ökologie bestellt? Lapidar gesagt: Sie ist ebenfalls kompliziert.
Die zentrale Frage lautet: „Wie können wir Wohlstand sichern und gleichzeitig MIT diesem Planeten anstatt nur auf ihm zu leben?“ Der Megatrend der Neo-Ökologie liefert interessante Konzepte.
Was bedeutet Neo? Das Präfix drückt in Wortbildungen bei Substantiven oder Adjektiven aus, dass eine Idee, ein Konzept, eine Kunstrichtung o.ä. eine Neubelebung erfährt. Oder dass an Früheres angeknüpft wird.
Doch was ist nun, so mag man sich fragen, das Neue daran? Kurz gesagt: Die Verbindung von Ökonomie und Ökologie – aber nicht im klassischen Sinne eines „entweder-oder“, sondern eines „sowohl... als auch“. Auch wenn viele eine Meinung dazu haben, was „nachhaltig“ ist: Wirklich wissen tut es keiner.
Zwei wichtige Gedanken, ich zitiere: „Wichtig ... ist, dass die Neo-Ökologie vom gesellschaftlichen Wertewandel beziehungsweise der Bereitschaft der Gesellschaft, etwas zu verändern, abhängig ist.“ Und: „Die enge Verbindung zwischen Ökonomie und Ökologie basiert darauf, dass nachhaltiges Handeln in der Wirtschaft immer mehr an Bedeutung zunimmt, da Konsumenten diesen Faktor immer mehr nachfragen.“ So hier nachzulesen.
Was schätzen Sie, wie viele Coffee to go-Becher mit Plastikdeckeln tagtäglich in Deutschland gekauft und anschließend weggeworfen werden?
Antwort: ca. 300.000.
An einem einzigen Tag.
Rechnet man diese Zahl auf den Jahresverbrauch hoch, wird einem schwindlig.
Doch hier hat bereits ein erstes Umdenken eingesetzt. Viele Shops bieten mittlerweile Kaffee im wiederverwendbaren Becher für unterwegs an.
Auch wenn es uns tagtäglich in den Medien präsentiert wird: Es genügt nicht mehr, lediglich das Marketing anzupassen und „grüne“ Produkte anzupreisen. Schlicht und ergreifend deshalb nicht, weil es a) nicht wirklich auf den Megatrend einzahlt und b) vielen Menschen die Folge unseres Wirtschaftens mittlerweile durchaus bewusst ist. Ein interessantes Video, das viele dieser Gedanken zusammenfasst, finden Sie hier:
Der zugegeben etwas unglückliche, weil irritierende deutsche Titel lautet: „Die Geschichte von Zeug“. Im Original „The Story of Stuff“. Das Video macht deutlich: Unser Wirtschaftssystem steckt in der Krise. Wir können ein lineares System auf einem begrenzten Planeten nicht endlos betreiben.
Fakt ist: Unsere Ressourcen sind endlich. Ressourceneffizienz ist schon längere Zeit nicht nur als aufmerksamkeitsstarkes Schlagwort in aller Munde. Ressourceneffizientes Produzieren wird auch bereits in vielen Fabriken sehr erfolgreich umgesetzt. Weil wir dringend einen effizienteren Umgang mit den verfügbaren Ressourcen benötigen, die geographisch unterschiedlich stark verteilt sind. Eine große Aufgabe wird darin bestehen, diese Dezentralität besser zu managen.
Konsequent zu Ende gedacht, stellt sich die Frage: Wohin gelangen wir, wenn wir mit sehr schlanken Produktionsprozessen „kreislaufwirtschaftliche“ Produkte erzeugen können? Redesign. Reduce, Reuse, Recycle. Kein Abfall mehr. Sprechen wir dann noch über aktuelle Geschäftsmodelle? Und wie finden wir heraus, wo wir die verfügbaren Ressourcen noch gezielter einsetzen können? Viele stellen sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob uns hier die Digitalisierung weiterhelfen kann.
Der Megatrend Neo-Ökologie verlangt von uns eine konsequente Ausrichtung auf drei zentrale Dimensionen, die sich in die Worte fassen lassen „effizient, suffizient und konsistent“. Meint:
effizient – Ressourcen optimal einsetzen
suffizient – richtiges Maß halten
konsistent – Energieverbrauch und Materialflüssen naturverträglich gestalten
Stichwort Suffizienz: Bei diesem Thema gab es in der Vergangenheit leider viele Fehlinterpretationen. Mit der Folge, dass dieses wichtige Prinzip nachhaltigen Wirtschaftens in die Öko-Nische gedrängt wurde. Dort fristete es lange Zeit sein Mauerblümchen-Dasein. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Wir müssen jedoch hinterfragen, was uns heute wichtig und wert(voll) ist. Und zwar radikal. Unser deutsches Wort „radikal“ leitet sich von dem lateinischen Wort „radix“ ab und meint „Wurzel“. Genau darum geht es: Wir müssen die Wurzel anpacken und nicht Oberflächenphänomene behandeln. Ein „einfach weiter so“, davon bin ich überzeugt, wird es nicht geben. Die Voraussetzung: ein radikaler Umbruch.
Ein großer Effekt des Megatrends Neo-Ökologie wird eine neue Definition von Lebensqualität sein – spür- und sichtbar beispielsweise in unseren Städten, da sich unsere Mobilität ändern wird. Das Ziel ist klar: die Mobilität der Zukunft flexibel und emissionsfrei zu gestalten. Es geht um die Gesundheit von Menschen, um den Klimaschutz und um die Frage, wie wir das Wertschöpfungsnetzwerk bei uns im Land halten können. Doch nicht nur das. Wir können unsere Mobilität auch neu definieren. Weniger Fahrzeuge auf den Straßen bei gleichbleibender Mobilität – ist das möglich?
Wir werden feststellen, dass „sozial-nachhaltig“ Alltag wird. Das bedeutet ein neues unternehmerisches Wirken mit gesellschaftlichem Auftrag.Neo-Ökologie hat nicht nur mit einer inneren Haltung zu tun. Es geht darum, achtsam zu uns selbst und in Resonanz zu anderen zu sein. Aus der Haltung folgt nachhaltiges Handeln.
... nur um technische Innovationen – sondern auch um das Verhalten von Menschen in ihrer Rolle als Konsumenten, Nutzer, Käufer.
... um ein „weiter so“ – sondern darum, Wachstum vom Verbrauch begrenzter Ressourcen abzukoppeln.
... nicht um Schwarzmalerei – sondern um pragmatischen Optimismus.
... nicht um „Verzicht“ – sondern um den verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen, um die Frage nach dem rechten Maß.