Führung im Wandel – zwischen Verantwortung, Beteiligung und Ambiguität, unterstützt durch Digitalisierung und KI
Führung befindet sich heute in einem Spannungsfeld, das zugleich vertraut und tief verunsichernd wirkt. Während digitale Tools, hybride Arbeitsmodelle und Künstliche Intelligenz neue Möglichkeiten eröffnen, erleben viele Führungskräfte, dass sich die Zusammenarbeit paradoxerweise gleichzeitig verflüssigt und verhärtet. Teams sind verteilt, Kommunikationswege fragmentiert, Erwartungen hoch. In dieser Realität wird Führung zu einer emotionalen Erfahrung: Verantwortung wird geteilt, Beteiligung erwartet, Ambiguität unausweichlich. Führungskräfte suchen Orientierung – und sollen zugleich Orientierung geben.
Gerade dort, wo räumliche Nähe schwindet und digitale Interaktionen zunehmen, zeigt sich: Teamspirit entsteht nicht durch Tools, sondern durch Beziehung. Vertrauen wird zur strategischen Ressource – und psychologische Sicherheit zum Fundament wirksamer Zusammenarbeit.
Zentrale Frage
Wie gelingt es Führungskräften, Vertrauen, Bindung und Teamspirit aufzubauen, wenn ein Teil des Teams remote arbeitet und ein anderer onsite?
Diskussion
Die Session beim SHIFT.ED InnoCube 2025 begann mit einem Impuls von Henrik Ostermann von Cerebricks, der zugleich persönlich und entlarvend war.
Henrik, Diplom-Wirtschaftsingenieur, SAP- und IT-Berater, Erfahrungen als Strategietreibender in DAX-Konzernen, im Mittelstand und als Gründer, beschrieb präzise die innere Spannung vieler technisch geprägter Führungskräfte:
„Ich habe ein sehr technisches Verständnis – und manchmal steht mir das im Weg. Denn Menschen sind keine logischen Regelkreise.“
Damit eröffnete er ein Thema, das viele kennen – aber selten so klar aussprechen: Je stärker unser fachliches Systemdenken ist, desto anspruchsvoller wird Beziehungsgestaltung im hybriden Alltag. Denn Menschen funktionieren nicht nach Prozesslogik. Sie reagieren emotional, relational und situativ.
Henriks Erfahrung in Teams von fünf bis über sechshundert Personen, verteilt über Deutschland und international, brachte die Diskussion schnell auf den Kern: Führung ist keine Frage von Methoden, sondern von Resonanz.
Genau hier setzt das Bild des Beziehungskontos an und macht sichtbar, dass Führung weder digital noch analog „von selbst“ funktioniert. Wenn sich physische Räume auflösen, gewinnen kleine Gesten an Bedeutung. Ein kurzes Nachfragen vor dem Sachlichen. Ein echtes Danke statt eines formalen „Besten Dank“. Ein Blick in die Kamera, der anzeigt: Ich bin wirklich da.
Das Beziehungskonto von Steven R. Covey zeigt, wie Vertrauen durch bewusste Einzahlungen (ein kurzer persönlicher Check-in, echtes Zuhören, Fragen statt Interpretieren…) wächst – oder durch (un)bewusste Abhebungen (Ungeduld, fehlende Antworten oder „sachlich perfekte, aber emotional leere“ Nachrichten…) schwindet. Und es macht sichtbar, dass digitale Kommunikation oft emotionaler ist, als wir glauben. Denn wo nonverbale Signale fehlen, interpretieren Menschen stärker. Unsicherheit erzeugt Spekulation – und Spekulation folgt selten dem Positiven.
Das SCARF-Modell von David Rock führte diese psychologische Perspektive weiter aus und wurde zum zweiten Dreh- und Angelpunkt der Diskussion.
Status, Sicherheit, Autonomie, Verbundenheit und Fairness entscheiden darüber, ob Mitarbeitende Kooperation als Belohnung oder als Bedrohung erleben. Sie sind Grundbedürfnisse, die in jeder Interaktion wirken: Ein spontaner Teams-Call kann Autonomie bedrohen. Eine knappe E-Mail kann Status verletzen. Ein unausgesprochenes „Warum“ kann die Verbundenheit untergraben. Gerade im hybriden Modus werden diese Mikro-Signale entscheidend.
Besonders spannend war hier Henriks Erfahrung: In seinen akademischen und international verteilten Teams prägten hohe Abstraktion, Selbstorganisation und Fachfokus die Zusammenarbeit. Doch auch dort, betonte er, wurde deutlich: „Ohne emotionale Sicherheit funktionieren selbst hochkompetente Teams nicht.“
Die Diskussion zeigte: Digitalisierung und KI verändern Führung – aber nicht im Sinne eines Ersatzes, sondern als Resonanzverstärker. Technologie bietet neue Möglichkeiten für Klarheit und Transparenz – aber sie schafft keine Nähe. Sie strukturiert Informationsflüsse – aber nicht Beziehungen. Sie kann Führung unterstützen, indem sie Routine entlastet und Reflexionsräume öffnet, aber sie kann Führung niemals ersetzen. Außerdem wurde allen Teilnehmenden klar: Führung ohne Bewusstheit für psychologische Dynamiken bleibt technisch – und wenig wirksam. Führung mit Bewusstheit wird menschlich – und damit zukunftsfähig.
Kernaussage
Führung im digitalen Wandel entscheidet sich nicht an Tools oder Technologien, sondern gelingt durch bessere Beziehungen. Vertrauen, psychologische Sicherheit und Resonanz sind die entscheidenden Faktoren, wenn Teams hybride Realitäten leben.
Reflexion / Transfer
Für Organisationen bedeutet das: Führung ist Entwicklungsarbeit – persönlich wie kulturell.
Es reicht nicht, hybride Arbeitsmodelle einzuführen; Menschen müssen sie emotional verarbeiten können. Es reicht nicht, digitale Tools zu implementieren; Führungskräfte müssen sie beziehungsorientiert nutzen. Und es reicht nicht, Verantwortung zu delegieren; sie muss gemeinsam getragen werden, damit sie Wirkung entfaltet.
Besonders im hybriden Kontext wird deutlich: Beziehung ist keine Kür, sondern Führungsleistung. Es braucht Bewusstheit für die Wirkung kleiner Signale, Mut zur Beziehung, Sensibilität für Unsicherheit und die Bereitschaft, Verantwortung zu teilen. Der Schlüssel liegt in der Zugewandtheit und inneren Haltung der Führungskräfte: Ich sehe dich – auch digital.
Die Zukunft der Führung gehört denen, die Technologie nutzen – aber Beziehung gestalten.
Die im Workshop genutzten Modelle – Beziehungskonto, SCARF-Modell und die zentralen Punkte des Impulsvortrags – stehen im SHIFT.ED-Materialpool von lumanaa bereit.
Die Wissensdusche: Mitarbeiterbindung ist Aufgabe der Führungskräfte zeigt, wie Führen durch Identifikation gelingt.
Ergänzend bieten wir Formate zur Haltungs- und Weiter-Entwicklung an, die Führungskräfte dabei unterstützen, sich selbst und ihre Teams in einem hybriden Umfeld wirksam auszurichten.
Erfahre mehr, wie du deine Wirksamkeit als Führungskraft zusammen mit der deines Teams in unserem hybriden Führungskräfteentwicklungsprogramm „LeadingTeams“ steigern kannst.
Vertiefe dein Verständnis von Haltung und Ich‑Entwicklung sowie bedürfnisorientierter Führung – mit individuellen Coaching‑Formaten für Führungskräfte und Teams. Hier geht es um innere Klarheit, Resonanz und Wirksamkeit im Führungsalltag.