Bei der Transformation des Energiesektors ist Power-to-X eines der bestimmenden Themen. Aber was ist das X? Welche Speichertechnologie wird sich durchsetzen? Wie effizient ist Power-to-X? Wie teuer ist Power-to-X? Und wo soll Power-to-X eingesetzt werden? Wie werden die Energiewirtschaft, der Verkehrs- und Gebäudesektor, aber auch die chemische Industrie CO2-neutral?
Quelle: https://www.dena.de/fileadmin/dena/Dokumente/Pdf/607/9264_Power_to_X_Technologien.pdf
Einig sind sich die Expert*innen, dass wir in der Zukunft in all diesen Sektoren viel Strom brauchen und daher Technologien brauchen werden, den Strom aus regenerativen Quellen zu speichern, um dem Schwankungsproblem z.B. bei Strom aus Wind und Sonne zu begegnen. Bei dieser Umwandlung kommt es unweigerlich zu Energieverlusten. Die öffentliche Debatte ist uneins, in welche Stoffe der Strom umgewandelt werden wird. Welche Stoffe setzen sich für die Speicherung durch? Power-to-Heat? Power-to-Liquid? Power-to-Gas? Welche Rolle spielen Batterien? Wie begegnen wir deren schlechten Wirkungsgrad?
Diese und viele weitere Fragen stellen nicht nur wir uns, sondern auch viele unserer Industrie-Kund*innen. Gleichzeitig arbeiten schon zahlreiche Expert*innen und Forscher*innen ganz unterschiedlicher Disziplinen an Lösungen.
Unser Vorgehen
Das Zukunftsthema Energie ist komplex und begleitet uns und unsere Kunden täglich in der strategischen und operativen Arbeit. Grund genug für uns als Beratungsunternehmen, eine Delphi-Studie durchzuführen. Namensgeber der Methode ist das Orakel von Delphi, das den Menschen in der Antike Ratschläge für die Zukunft gab. Die Delphi-Methode wird heute häufig verwendet, um Prognosen oder Trends für die Zukunft zu ermitteln.
In den vergangenen Monaten haben wir dazu Expert*innen aus der Praxis der Gase-Industrie mit Thesen zu dem Themen-Komplex befragt. In mehreren Stufen hatten die Expert*innen Gelegenheit, Position zu den Thesen zu beziehen. Die Befragungen wurden immer weiter verdichtet, indem wir unseren Gesprächspartner*innen auch die Einschätzungen der anderen Teilnehmenden – natürlich anonymisiert – vorgelegt haben, so dass sie wiederum darauf reagieren konnten.
Heute können wir eine Sneak Preview auf Ergebnisse veröffentlichen, bevor wir im Oktober bei der 2. VDI Fachtagung Power-to-X: Wasserstoff in der Praxis weitere Expert*innen-Befragungen durchführen werden, um die Studie abzuschließen.
Die Thesen
Alle Expert*innen sind überzeugt davon, dass Power-to-X-Lösungen wichtiger Bestandteil einer klimaneutralen Zukunft sind. Bei einigen grundlegenden Thesen herrscht unter den Expert*innen Einigkeit:
- Was ist X?
Wir brauchen den Energiemix, um klimaneutral produzieren und leben zu können. Überproduktion aus regenerativen Energien müssen wir speichern. Da Batterien nicht so effizient sind, brauchen wir Power-to-X-Lösungen, die die Energie hauptsächlich als Wasserstoff speichern. Allerdings ist der Ersatz von fossilen Rohstoffen nicht nur durch Wasserstoff möglich. Gerade in der Grundstoffindustrie könnte auch andere Formen (hier wird vorwiegend Methanol genannt) zum Einsatz kommen. Dies könnte dann vielfach importiert werden.
- Wird Deutschland unabhängig von Energie-Importen?
Deutschland wird weiterhin Energie importieren müssen, weil wir wirtschaftlich von Energie-Importen abhängig sind und dies auch bleiben. In welcher Form Energie importiert wird, da ist sich die Expert*innen-Runde uneinig: Wasserstoff als Gas durch die Pipeline, flüssig mit dem Schiff, Methanol, grünes Kerosin … Wahrscheinlich wird es auch hier zum Mix kommen.
Ab These 3 beginnen die Einschätzungen der Expert*innen, sich zu unterscheiden:
Quelle: Eigene Darstellung, Einschätzungen Beispiel
Was machen wir mit der Infrastruktur? Wie funktioniert die Verteilung? Gasnetze sind deutschlandweit vorhanden, die gleichbleibend befüllt werden müssen. Wärmepumpen sind aktuell unerlässlich, wenn wir wie vorgesehen zu 67% klimaneutral wirtschaften wollen:
- Ein Teil der Befragten vertritt die These, dass Wärmepumpe und Gebäude-Isolation ausreichen werden und die vorhandenen Netze nur noch da im Einsatz bleiben, wo es unbedingt nötig ist. Vereinzelt wird es (weiterhin) Gastanks auf dem Land geben, weil die heutige flächendeckende Netzinfrastruktur nicht mehr gehalten werden kann.
- Ein (regulatorischer) Knackpunkt an dieser Stelle ist, dass das Gasnetz zwar weniger gebraucht werden wird, die Kommunen aber eine Versorgungspflicht haben.
- Zudem werden Wasserstoffnetze für die Industrie dringend gebraucht werden. Deren Betrieb ist bisher gesetzlich nicht so klar geregelt, es gibt bislang keine Normung, die nötig wäre, um die Netze in der Breite zu verwenden. Sie sind heute nicht in gleichem Maße flächenverbreitet wie die Gasnetze. Hier werden derzeit die Regulatorien entwickelt. Grundsätzlich sehen alle Expert*innen: Große Leitungen für Großverbraucher werden benötigt.
- Die im vergangenen Jahr eröffneten LNG-Terminals an den deutschen Küsten können nicht nur Flüssig-Gas verarbeiten, sondern auch flüssigen Wasserstoff. Dies kann dann analog zu heute in die kommenden Wasserstoff-Pipelines und die Industrie wird sich in deren Umfeld ansiedeln.
- Eine andere Perspektive prophezeit, dass die Industrie Kraftwerke selbst baut, wo sie sie benötigt. Im Panel war beispielsweise ein Logistik-Unternehmen, das auf E-Mobilität umgestiegen ist, nun die eigene Energie produziert und verbraucht und Überproduktion lokal speichert. Das ist nur ein Beispiel von vielen, das aufzeigt, dass sich viele Chancen auftun werden, aber fast alle Unternehmen ihr bisheriges Geschäftsmodell werden überdenken müssen.
- In Deutschland gibt es bisher nur zentrale Versorgungsansätze. Dezentrale Ansätze werden noch nicht gefördert, tun aber Not, weil sie viel weniger krisenanfällig sind. Sie folgen der Grundidee, dass die Zellen für sich stabil sind. Ein Element in solchen Netzen können bi-direktionale Ladestellen für Autos sein: Die Autobatterie speichert Energie und schickt sie zurück ins Netz, sobald das nötig ist. Ebenso kann ein lokaler Wasserstoffspeicher an großen Windrädern oder Fotovoltaik-Flächen ein solches Element der Zukunft sein.
Der Weltmarkt und die Rolle von Deutschland:
- Einig sind sich alle, dass Deutschland bei der Transformation spät dran ist. Einig sind sich aber zum Glück auch alle, dass wir es schaffen können, den Anschluss nicht zu verlieren, wenn wir jetzt dranbleiben. Denn Know-how und Technologie sind vorhanden, wir müssen sie nutzen. Der Markt ist da. Aber klar ist: Der Zeitplan ist sportlich, denn demographischer Wandel und Fachkräftemangel drängen zusätzlich.
- Uneinigkeit herrscht bei der Frage, wie mit dem Risiko umzugehen ist. Der eine Teil der Expert*innen wünscht sich einen Masterplan der Regierung. Der andere Teil fordert, dass die Politik den Rahmen schaffen soll und sich dafür aus den Details heraushält. Sie fordern vor allen Dingen Abschreibungsmöglichkeiten, um das Risiko besser managen zu können. Wer heute beispielsweise eine Glas-Wanne aufbaut, die extrem energie-intensiv ist, ist vom eingeschlagenen technologischen Pfad abhängig. Eine so aufwändige Anlage muss 30 Jahre laufen, sonst rentiert sie sich nicht. Damit ist klar, dass die Zeit drängt, wenn wir 2045 CO2-neutral sein wollen. Mit kürzeren Abschreibungszyklen könnte die Politik diese Risiken abfedern und unternehmerischen Mut belohnen.
Insgesamt zeigt sich in unserem Experten-Panel, dass manche Unternehmer*innen von einer Technologie so überzeugt sind, dass sie mutig darauf setzen, dass sie sich durchsetzen wird. Wer eher vorsichtig agiert, bevorzugt einen Masterplan und konkrete Vorgaben von Seiten der Politik.
Schon diese ersten Thesen und die Einschätzungen der unterschiedlichen Expert*innen geben einen guten Einblick, wie vielfältig die Perspektiven und Einschätzungen ausfallen. Sie bilden eine fundierte Grundlage, um technologische Entwicklungen von Power-to-X-Lösungen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und ganz konkret für das eigene Unternehmen abwägen zu können. Die komplette Studie können Sie hier abrufen: