Was schon Heraklit von Ephesus um 500 v. Chr. wusste, gilt heute einmal mehr: Die Digitale Transformation verändert alle Lebensbereiche rasant, neue unternehmerische Geschäftsmodelle und Organisationsformen etablieren sich. Prozesse, Dienstleistungen und Produkte werden in hohem Tempo durch die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien verändert. Diese Technologien unterliegen ihrerseits ständiger Weiterentwicklung. Kurzum: Der Wandel überschlägt sich, und wer sich verschließt, droht regelrecht überrollt zu werden.
Die Risiken, dem Wandel zum Opfer zu fallen, sind dabei ähnlich hoch wie die Chancen, Wertschöpfung aus digitaler Transformation zu gewinnen. Eine Anpassung der Geschäftsmodelle, fort von analogen Prozessen, nimmt mehr und mehr an Fahrt auf und erstreckt sich von Privatpersonen über Unternehmen bis hin zu Staaten.
Die Wurzeln des digitalen Zeitalters kann man schon mit ersten Rechenapparaten auf Basis des binären Systems im frühen 20. Jahrhundert finden. Die wirkliche Zeitenwende ist aber in den letzten Jahrzehnten auszumachen: Während Menschen noch vor 30 Jahren bei der Erstinformation zu Büchern griffen, um nachzuschlagen, zu einer Telefonzelle eilten, um schnell über Entfernungen zu kommunizieren, einen Taxistand aufsuchten, um von A nach B zu gelangen oder den Fachhändler des Vertrauens im Laden um die Ecke besuchten, um etwas zu kaufen oder zu bestellen, sind heute digitale Alternativen omnipräsent.
Erstinformationsquellen sind nun Suchmaschinen, das Smartphone macht uns zum permanenten Kommunikationsteilnehmer in Echtzeit, Carsharing ermöglicht flexible Mobilität, und Online-Shops versorgen uns mit allen erdenklichen Produkten, Call-Center, Service-Bots und Downloads begleiten die Produktnutzung.
Digitale Transformation, so die einhellige Meinung, führt in Unternehmensabläufen zu mehr Effizienz, Umsatz und Qualität von Prozessen. Sie senkt die Kosten und reduziert Fehleranfälligkeit. Vor allem aber beschleunigt sie auch die Abläufe, einhergehend mit einem hohen Grad an Automatisierung. Ein Phänomen dieses Wandels sind die neuen, disruptiven Geschäftsmodelle, die etablierte Geschäftspraktiken in hohem Tempo ergänzen, verdrängen oder sogar ersetzen (“zerstören“). Am Beispiel von Spotify, Uber oder auch Amazon, die gleich mehrere neue Geschäftsmodelle in sich vereinen, lässt sich die Wucht dieser Entwicklung nachzeichnen. Alle Genannten haben gemeinsam, dass sie bestehende Modelle und Strukturen völlig auf den Kopf gestellt haben: Musik wird nahezu überall und plattformübergreifend verfügbar, das private Auto ist plötzlich eine Einnahmequelle, und Reviews dienen als wesentliches Entscheidungskriterium für den Kauf von schnell verfügbaren Produkten. Neue Ökosysteme entstehen, die Kunden über den leichten Einstieg hinaus langfristig binden.
Das, was heute erfolgreich ist, kann schon morgen ins Hintertreffen geraten. Was können kleine und mittelständische Unternehmen tun, um den digitalen Wandel erfolgreich zu nutzen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln? Und vor allem: Wann auf die neuen Technologien setzen?
Allem voran sollte die genaue Analyse der Kernkompetenzen und Möglichkeiten zur Stärkung durch den Einsatz digitaler Technologien stehen.
Wie tragfähig sind die Kerngeschäfte noch? Dazu gehört auch, Warnsignale wie einen stagnierenden Umsatz losgelöst von äußeren Einflussfaktoren zu betrachten. Eine systematische Marktbeobachtung der eigenen platzierten Produkte, zum Beispiel im Vergleich zum Hauptkonkurrenten ist erforderlich.
In welchem Lebenszyklus befinden sich die Produkte? In vielen Fällen haben Unternehmen Produkte erfolgreich platziert, nähern sich jedoch einer Sättigungsgrenze.
Zu diesem Zeitpunkt sollten Überlegungen angestellt werden, je nach Innovations- und Ressourcenverfügbarkeit in neue Produkte, digitale Kanäle und Vertriebsmodelle zu reinvestieren. Kurzum: Gibt es Möglichkeiten, die Fähigkeiten des Unternehmens in neue Geschäftsmodelle zu überführen oder neue Kompetenzen auszubilden, die diese Märkte erschließen können?
Bei den Überlegungen zur Erschließung neuer Geschäftsmodelle sollten auch folgende Fragen Berücksichtigung finden:
Zunächst sollte unternehmensweit ein tiefgreifendes Umdenken stattfinden und eine neue Unternehmenskultur geschaffen werden, die die Digitalisierung lebt, Informationen teilt, Kundennähe sucht und eben nicht die einmalige Anschaffung neuer Software als erfolgreichen Umstieg postuliert. Mitarbeiter sollten, zum Beispiel durch Schulungen, vom Nutzen der Umstellungen überzeugt und begeistert werden. Im Kleinen wie im Großen gilt: Digitalisierung ist keine Insel. Das beginnt bei der Art des Informationsaustauschs und der Zusammenarbeit der Mitarbeiter. Als Mittel zur effizienten Zusammenarbeit sollten Dokumente gemeinsam zugänglich gemacht und nicht z.B. per E-Mail zugesandt oder auf zugangsbeschränkten Laufwerken deponiert werden. Eine Cloud-Lösung ermöglicht es, dass mehrere Nutzer auf dasselbe Dokument zugreifen und daran arbeiten können. In Verbindung mit einer Kommunikationsplattform wie Microsoft Teams wird die gesamte Kommunikation und Datenablage im Unternehmen transparenter und zugänglicher. Dieser Ansatz muss aber von jedem Mitarbeiter getragen werden.
Amazon spielt es vor: Ein großer Teil des Gewinns fließt als Investition in die Erforschung der Kundenbedürfnisse zurück. Alle Prozesse, Produkte und Dienstleistungen sollen aus der Kundenperspektive betrachtet werden. Was erwartet der Kunde, welche Produktvorschläge sind relevant, wie kann die Nähe zum Kunden verbessert werden? - Geschätzte 35 % des Umsatzes von Amazon werden durch seine Empfehlungsmaschine erzielt. Grund genug auch für kleine Unternehmen, die Kundennähe in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu rücken, und dem Kunden eine Plattform und Stimme zu geben.
Die Erschließung digitaler Kanäle und Vertriebswege waren und sind in vielen mittelständischen Unternehmen die ersten Schritte: Facebook, Instagram, LinkedIn, Homepage, E-Mailings, youtube-channels – Die Präsenz in den sozialen Medien ausbauen, einen eigenen Online Shop auf die Beine stellen, usw. Doch wie lassen sich neue Geschäftsmodelle erfolgreich etablieren? Zunächst ein Überblick.
Einige Geschäftsmodelle im Überblick:
Eigenschaften: Käufer und Verkäufer werden auf einem digitalen 3rd Party-Marktplatz zusammengeführt, um Produkte oder Dienstleistungen kaufen oder verkaufen zu können
Die Wertschöpfung erfolgt durch Mitgliedschaftsgebühren, Kunden-Reviews, Vermittlungsgebühren, Provisionen, Werbung
Beispiele Key-Player: Amazon, eBay, Etsy
Beispiele Märkte: Einzelhandel, Großhandel
Eigenschaften: Langfristige Bindung von Kunden in ein geschlossenes System, zum Beispiel durch spezielle Hardware und dazugehöriger Software/Apps, zugänglich nur systemimmanent und inkompatibel zu Lösungen von Mitbewerbern. Einmal integriert ist es für Kunden schwierig, das Ökosystem zu verlassen.
Beispiele Key Player: Apple, Amazon, PayPal, Spotify
Beispiele Märkte: Hardware- und Software, Kreditkartengesellschaften
Eigenschaften: Nutzer erhalten kostenlosen Zugang zu einer freien Basisversion, die jedoch nur über eingeschränkte und oft nicht hinreichende Funktionalitäten verfügt. Mit dem Erwerb einer kostenpflichtigen Premium-Version steht die volle Funktionalität zur Verfügung.
Beispiele Key Player: Spotify, Xing, LinkedIn
Beispiele Märkte: Musikindustrie, Arbeitsagenturen
Eigenschaften: Güter oder Dienstleistungen, die üblicherweise nur gekauft werden können, werden Nutzern für einen begrenzten Zeitraum zur Verfügung gestellt. Beim Carsharing beispielsweise wird ein Auto für gewisse Zeit einer anderen Person gegen Bezahlung zur Verfügung gestellt. Auch Immobilien sind hier zu nennen.
Beispiele Key-Player: AirBnB, Zipcar
Beispiele Märkte: Immobilienvermietung, Fahrzeugvermietung
Eigenschaften: Nutzer rufen virtuelle Produkte im Bedarfsfall für einen bestimmten Zeitraum auf. Dabei ist Videostreaming ein umkämpftes Segment.
Beispiele Key Player: Apple TV+, AmazonPrime
Beispiele Märkte: Filmverleih, Filmindustrie (Eigenproduktionen der Streaming-Anbieter)
Eigenschaften: Als eines der ersten digitalen Geschäftsmodelle gilt der Online-Shop: Unternehmen verkaufen ihre Produkte online
Beispiele Key Player: Amazon, Alibaba, Otto, MediaMarkt
Beispiele Märkte: diverse
Eigenschaften: Nutzer abonnieren Produkte. Beträge werden meist periodisch abgerechnet. Auch dabei wird eine langfristige Kundenbindung angestrebt.
Beispiele Key Player: Netflix, AmazonPrime, Disney+
Beispiele Märkte: Filmverleih, Filmindustrie (Eigenproduktionen der Streaming-Anbieter)
Auf das richtige Pferd setzenNach der Prüfung eigener Kernkompetenzen und Abwägung der Möglichkeiten, diese in neue Geschäftsmodelle zu überführen, bieten sich für Unternehmen, die noch am Anfang des Digitalisierungsprozesses stehen, leichter zugängliche Bereiche wie E-Commerce (der eigene Online-Shop), Freemium oder Abo-Modelle an. Sie können schnell Wertschöpfung generieren. Auch Nischenprodukte lassen sich so erfolgreich vermarkten. Komplexere und langfristigere Ansätze finden sich im Marktplatz-Modell und bei der Schaffung eines Ökosystems. Dabei ist ein hoher Einsatz an Ressourcen und Innovationskraft nötig, und die Risiken durch Mitbewerber sind höher.
Aber wohin auch immer der Weg gehen soll, aus den rasanten Entwicklungen der Digitalen Transformation lassen sich zwei Empfehlungen ableiten: Lieber früher als später in neue Technologien investieren und rechtzeitig Ersatzprodukte platzieren, um neue Kompetenzen aufzubauen.