Sprachrohr

Zeitloses Design vs. Trend - Welche Anforderungen hat mein Produkt?

Geschrieben von Manuel Immler | Feb 23, 2024 6:30:00 AM

Herausforderung der langfristigen Wertschöpfung

Wir leben in einer Zeit, in der die Innovation immer schneller voranschreitet und uns ständig neue Produkte und Dienstleistungen bietet, die unser Leben einfacher, angenehmer oder spannender machen sollen.

Doch diese Innovation hat auch einen hohen Preis: Die Ressourcen, die wir für die Herstellung, den Transport und den Konsum dieser Produkte verbrauchen, sind begrenzt und haben negative Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima. Zudem werden viele Produkte nach kurzer Nutzungsdauer entsorgt oder ersetzt, weil sie defekt, veraltet oder unmodisch sind. Wie können wir also Produkte nachhaltiger gestalten und nutzen, ohne auf Innovation zu verzichten? Wie können wir langfristig Wertschöpfung gestalten?

Nächstes Ziel: Kreislauffähigkeit

Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir unsere Sichtweise auf Produkte ändern. Wir müssen sie nicht mehr als lineare, sondern als zyklische Objekte betrachten, die Teil eines Kreislaufs sind, in dem nichts verschwendet wird. Dies ist die Idee der Kreislaufwirtschaft, die sich von der traditionellen, linearen Wirtschaft abgrenzt, die nach dem Prinzip „herstellen, nutzen, wegwerfen“ funktioniert. Die Kreislaufwirtschaft basiert auf dem Prinzip „schließen, verlängern, erneuern“, das darauf abzielt, die Lebensdauer, den Wert und die Qualität der Produkte zu erhalten oder zu erhöhen, indem sie repariert, wiederverwendet, recycelt oder regeneriert werden. Sie wären also leicht überspitzt „ewig“.

Dies hat viele Vorteile für die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft: Richtig umgesetzt bedeutet die Kreislaufwirtschaft eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs, der Emissionen, der Abfälle und der Verschmutzung, die durch die Produktion und den Konsum von Produkten entstehen. Dies trägt zum Schutz der natürlichen Ökosysteme, der biologischen Vielfalt und des Klimas bei.

Für die Wirtschaft bedeutet die Kreislaufwirtschaft eine Steigerung der Effizienz, der Innovation, der Wettbewerbsfähigkeit und der Wertschöpfung, die durch die Nutzung der vorhandenen Ressourcen, die Schaffung neuer Geschäftsmodelle, die Erhöhung der Kundenzufriedenheit und die Verringerung der Abhängigkeit von externen Lieferanten erzielt werden können. Dies fördert das Wirtschaftswachstum, die Beschäftigung und die Resilienz.

Kreislauffähige Produkte brauchen eine kreislauffähige Produktion

Um Produkte im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu gestalten, müssen wir nicht nur die Produkte selbst, sondern auch die Prozesse, die sie hervorbringen, verändern. Die Konstruktion und die Produktion von Produkten sollten so gestaltet werden, dass sie die Kreislauffähigkeit der Produkte ermöglichen oder erleichtern. Dabei sind die Langlebigkeit, die Reparierbarkeit, die Zerlegbarkeit und die Modularität der Produkte wichtige Faktoren. Außerdem sollten die Konstruktion und die Produktion von Produkten die Wiederverwendung, das Recycling oder die Regeneration der Produkte unterstützen.

Wie können wir die Konstruktion und die Produktion von Produkten intelligenter gestalten? Es gibt verschiedene Technologien und Methoden, die uns dabei helfen können, die Produkte effizienter, kostengünstiger und qualitativ hochwertiger zu konstruieren und zu produzieren.

Ein Schlüsselfaktor bei diesem Unterfangen sind die Kosten für das Produkt, das den Kreislauf zum zweiten Mal beschreiten möchte. Nur wenn die  Preis-Leistung für ein bereits gebrauchtes Produkt, im Vergleich zur Neuware attraktiv ist, kann sich ein refurbished Produkt am Markt behaupten. Da das zurücknehmen, zerlegen, analysieren und reparieren von gebrauchten Produkten bisher sehr arbeitsintensiv und damit teuer war, ist dieser Ansatz bisher wirtschaftlich unattraktiv. Hier kommen nun spannende Entwicklung zum tragen. Durch große Fortschritte in Bereich Sensorik, Automatisierung, Robotik und künstlicher Intelligenz zeichnet sich ab, dass diese Prozesse heute schon großteils automatisiert werden können und damit deutlich günstiger abgebildet werden können. Dies ermöglicht wertvolle Ressourcen und hochwertige Gebraucht-Module vom Kunden zurückzuerhalten um sie in die Produktion einfließen zu lassen. Hierzu finden spannende Forschungen am KIT statt.

Abbildung 1: Kreislauffabrik nach Gisela Lanza  - KIT.

Das passende Geschäftsmodell

Es ist auch notwendig, das Geschäftsmodell anzupassen, um die Kreislauffähigkeit der Produkte zu fördern und zu nutzen. Das bedeutet, dass die Unternehmen nicht nur Produkte verkaufen, sondern auch Dienstleistungen anbieten, die den gesamten Lebenszyklus der Produkte begleiten. Dabei stehen die Kundenbeziehung und die Kundenzufriedenheit im Mittelpunkt.

Ein neues Geschäftsmodell für die Kreislaufwirtschaft basiert auf folgenden Prinzipien:

Die Kunden werden zu Partnern, die aktiv an der Kreislaufwirtschaft teilnehmen. Sie können ihre gebrauchten Produkte oder Teile zurückgeben, um sie recyceln oder wiederverwenden zu lassen. Sie können auch ihre Produkte leihen, mieten oder teilen, anstatt sie zu besitzen. Sie erhalten dafür Anreize, wie Rabatte, Gutscheine oder Treuepunkte.

Die Dienstleistungen werden zu einem wichtigen Bestandteil des Produktangebots. Sie umfassen nicht nur die Lieferung, die Installation und die Garantie, sondern auch die Reparatur, die Instandhaltung, die Aktualisierung und die Beratung. Sie erhöhen den Nutzen und die Lebensdauer der Produkte, sowie die Bindung und das Vertrauen der Kunden.

Die digitalen Technologien werden zu einem wesentlichen Werkzeug für die Kreislaufwirtschaft. Sie ermöglichen die Vernetzung, die Kommunikation und die Transparenz zwischen den Unternehmen und den Kunden. Sie erlauben auch die Erfassung, die Analyse und die Optimierung der Daten über die Produkte, die Prozesse und die Kundenbedürfnisse. Sie unterstützen die Innovation und die Anpassungsfähigkeit der Geschäftsmodelle.

Langlebiges Design

Um ewig-innovative Produkte zu vertreiben benötigen wir nicht nur einen neue technologische Ausrichtung oder eine Neuausrichtung in Geschäftsmodell und Kundenbeziehung. Auch an das Design unserer Produkte werden neue Anforderungen gestellt.

Denn das nachhaltigen Design ist nicht nur technologisch, sondern auch ästhetisch langlebig konzipiert. Das bedeutet, dass die Produkte nicht nur aus recycelten Bauteilen oder erneuerbaren Materialien bestehen, sondern auch eine zeitlose Form und Farbe haben, die über Modetrends hinausgeht. So können sie über Jahre oder Jahrzehnte hinweg genutzt werden, ohne an Attraktivität zu verlieren.

Ein gutes Beispiel für nachhaltiges Design sind die Designklassiker, die von Designern wie Charles und Ray Eames, Arne Jacobsen, oder Dieter Rams geschaffen wurden. Diese Produkte haben eine klare und einfache Gestaltung, die sich an die Funktion anpasst und gleichzeitig eine hohe ästhetische Qualität hat. Sie sind nicht nur praktisch, sondern auch schön und elegant. Sie haben eine zeitlose Ausstrahlung, die sie zu Ikonen des Designs macht. Damit erzeugen sie eine Anziehungskraft, die es ihren Besitzern erlaubt, sich wertschätzend darum zu kümmern und sie sorgsam zu behandeln. Außerdem sind sie auch viele Jahre nach Erscheinungsdatum noch attraktiv und haben damit einen stabileren Wert als Produkte, die sehr eng am Zeitgeist entwickelt wurden.

Abbildung 2: Design einer langlebigen Küchenmaschine nach Vorbild von Design-Klassikern.

Das ewig innovative Produkt ist eine Herausforderung auf vielen Ebenen, die oftmals mit einem Paradigmenwechsel einhergeht. Unsere Erzeugnisse werden langlebiger und ressourcenschonender, gleichzeitig aber auch modular, um technologische Entwicklungen weiterhin im Markt platzieren zu können. Die Entwicklung dieser Güter setzt den Fokus auf den langfristigen Mehrwert des ganzen Systems und plant das Recycling der Altteile von Beginn an mit ein.

Die Produktion dieser Güter muss hochautomatisiert und intelligent sein. Sie kann nicht nur neue Produkte herstellen, sondern auch Altprodukte zerlegen, bewerten und nahtlos in den Wertschöpfungsprozess einfließen lassen.

Unsere Geschäftsmodelle und Kundenbeziehungen sind auf eine engere Zusammenarbeit ausgerichtet. Sie ermöglichen attraktive Dienstleistungen um das Produkt herum und die Rückgabe des Altprodukts. Der Kunde profitiert von einer Gesamtlösung, die Bequemlichkeit und Zufriedenheit verspricht.

Zunächst mag das wie eine gigantische und unschaffbare Herausforderung klingen. Doch können wir diese Entwicklung auch in vielen kleinen Schritten gehen. Mit dem fortschreitenden Ausbau der Kreislaufwirtschaft werden wir diese Bausteine zunehmend perfektionieren. Es eines Tages ist es vielleicht  Normalität, dass Produkte nicht mehr linear gedacht und gemacht werden, sondern (beinahe) ewig innovativ sind.