Warum reden wir über dieses Thema? Für uns bei Lumanaa ist Nachhaltigkeit ein ganz zentrales Thema, wir leben es als Beraterinnen und Berater sehr bewusst und als Teil unserer Firmen-DNA.
Wir sind überzeugt, dass nur nachhaltiges Wirtschaften in der Zukunft noch tragfähig sein kann. Wichtig ist uns aber auch, dass Nachhaltigkeit hier weit mehr bedeutet als Umweltbewusstsein, ganz wie es die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen fordern: https://unric.org/de/17ziele/!
Viele Kolleg:innen bei Lumanaa engagieren sich auch auf persönlicher Ebene sehr stark für sehr unterschiedliche Projekte, die auf diese ökologisch, aber auch sozial nachhaltigen Ziele hinarbeiten. Angefangen bei Regenwaldprojekten über soziale Projekte bis zu unseren ganz individuellen Bemühungen, unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren.
Mein sehr persönlicher Zugang zu diesem großen und sehr komplexen Thema sind die Catlovers for Future (eine noch zu gründende Gemeinschaft, die bisher nur aus mir besteht als Tribut an Organisationen wie Scientist for Future oder Grannies for Future).
Abb. 1 (Quelle: Juliane Rink).
Was das für meinen Alltag bedeutet? Ich esse kein Fleisch, das mein Partner nicht erjagt hat. Ich versuche, Plastik zu vermeiden. Ich unterbinde Konsum, wo es möglich ist, erlaube mir ausschließlich Slow Fashion, verbiete Ballons zu meinem (und am liebsten auch zu anderen) Geburtstagen und wasche meine Hände immer nur mit kaltem Wasser. Okay erwischt, ich lebe in Schwaben, vielleicht bin ich einfach nur geizig? Vielleicht liegt in dieser Aufzählung auch schon ein Problem: viele negative Wörter: verzichten, verbieten, eher nein als ja – doch dazu später.
All diese kleinen Schritte von jedem und jeder einzelnen bringen uns eben auch weiter.
„Du allein wirst das Kima aber nicht retten“, ein Satz, der wahrscheinlich genauso häufig fällt wie „Baden-Württemberg / Deutschland / Europa wird das Klima nicht allein retten“ – ja ne, is klar. Deswegen bin ich auch froh, dass wir nicht allein müssen, sondern wir alle zusammen, zumindest wenn wir überleben wollen.
Neben diesen sehr persönlichen Facetten hat das Thema Nachhaltigkeit für uns als Berater:innen natürlich auch noch einen sehr starken beruflichen Bezug. Denn auch die Unternehmen, die wir beraten, fragen sich: Wie ÜBER-LEBEN? Und auch hier gilt: wirtschaftlich und ökologisch und sozial. Sei es eine neue Employer Branding Strategie gegen den Fachkräftemangel, sei es die Frage, wie der Markt von morgen aussieht oder auch der Umgang mit der Schließung eines Standortes aus wirtschaftlichen Gründen.
All diese Themen sind nicht neu, wir verhandeln sie als Gesellschaft schon seit Jahrzehnten in sehr unterschiedlicher Gewichtung und Ausprägung. Schaut man auf die Klimadiskussionen seit den 1980er Jahren zurück, fällt eines auf: Drohkulissen und Endzeitstimmung ziehen sich durch alle Phasen. Besonders gut lässt sich das aktuell an den Protestformen der Aktionsgruppe „Letzte Generation“ veranschaulichen. Inhaltlich wird ihnen heute kaum noch jemand widersprechen: Wir sind die letzte Generation, die noch verhindern kann, dass Kipp-Punkte im Erdklimasystem überschritten werden. Sich auf der Autobahn festzukleben, um gegen fossile Brennstoffe zu protestieren, wird von vielen Menschen dennoch als der falsche Weg empfunden. Diese Methoden zivilen Ungehorsams sind (bewusst) bedrohlich und aggressiv.
Was sich daraus sehr gut ablesen lässt, ist die Tatsache, dass Kommunikation zwischen unterschiedlichen Interessensgruppen so erschwert wird. Sobald wir in unserer Kommunikation zu metaphorisch und geradezu weltuntergangsmäßig werden, desto schwerer machen wir es dem Gegenüber. Nochmal konkret: Die Mutter oder der Vater, die im Stau auf eben jener Autobahn verzweifeln, weil sie ohne Auto nur schwer den Weg zwischen Arbeitsstelle und Kita ihrer Kinder zurücklegen können, teilen in aller Regel die Ziele der Aktivist:innen. Wie sollten sie auch anders? Sie möchte ihren Kindern ja auch eine lebenswerte Welt hinterlassen. Trotzdem können sie im eng getakteten Familienalltag vielleicht nicht ganz auf das Auto verzichten, auch wenn sie gerne würden.
Niemand möchte jedoch leugnen, dass neben den ehrenwerten Müttern und Vätern auch Menschen in diesen Autos sitzen, denen dieses Thema herzlich egal ist und die nach wie vor der ‚Nach-mir-die-Sinnflut‘ Mentalität frönen.
Doch die ganz oder gar nicht-Kommunikation macht es einem selbst, aber auch den Rezipient:innen schwer. Solche Drohkulissen schrecken ab und treiben Adressat:innen vom Thema weg, die wir eigentlich gewinnen könnten und dringend müssten. Ein toller Ausspruch aus der Zero-Waste Bewegung zum Beispiel lautet: „Wir brauchen keine 10 Leute, die Zero-Waste perfekt machen, sondern 1000, die es unperfekt machen.“ Wir BRAUCHEN auch die unperfekten, die durchschnittlichen, die menschlichen.
Ein anderes wunderbares Beispiel bietet die Gestaltung von Ernährungsformen. Auch wenn das immer wieder ein Reizthema ist: Wie viele Menschen gehen von ‚ich esse weniger Fleisch‘ zu ‚ich ernähre mich vegetarisch‘? Diesen Schritt gibt es jedoch nicht, wenn die einen sagen ‚mit Fleischessern spreche ich nicht, die haben den Schuss nicht gehört‘ oder die anderen mit dem T-Shirt-würdigen Spruch ‚diese Veggi-Spinner essen meinem Essen das Essen weg‘ antworten. Wir müssen unsere Kommunikationskanäle offen halten.
ÜBER-LEBEN an sich klingt ja schon drastisch. Die aktuelle Weltlage ist komplex und bedrohlich, daran besteht kein Zweifel. Dennoch; metaphorische Drohkulissen in der Kommunikation vergrößern diesen Effekt noch und können zum Kommunikationsabbruch führen. Die Dringlichkeit zu verdeutlichen, ist richtig, aber die Angstspirale, die mit großen Metaphern einhergeht, löst Überforderung aus. Genau das ist oft ein Dilemma von politischer Kommunikation ebenso wie von Krisenkommunikation. Wir gehen hier sehr schnell ins Metaphorische, um dem Thema Nachdruck zu verleihen: die Erde als brennendes Haus, der alternativlose Euro-Rettungsschirm oder aktuell die kalten Wohnungen im nächsten Winter… Man könnte hier noch zahllose andere Beispiele zitieren. Wir wollen uns mit diesen konkreten Beispielen an dieser Stelle nicht aufhalten, sondern überlegen, welche Erkenntnisse sich auf strategische Unternehmenskommunikation übertragen lassen.
Die gleiche Emotionalität wie in der Klima-Debatte finden wir bei Überlebens-Themen in Unternehmen auch. Ich sage auch hier oft: Mach es deinem Empfänger oder deiner Empfängerin nicht so schwer! Wenn beispielsweise ein Standort aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden muss, ist das natürlich hoch emotional. Wie viele persönliche Schicksale hier betroffen sind, wie viele Freundschaften unter Kolleg:innen bedroht, wie viele Hoffnungen, manchmal sogar Lebensgrundlagen plötzlich zerbrechen.
Jede Emotionalität (sehr wichtig an dieser Stelle bitte nicht Emotionalität mit Empathie verwechseln!) ist hier nachvollziehbar und kann mitgetragen werden, aber sie ist eben kein guter Ratgeber für die Unternehmens- und interne Kommunikation. Wir nehmen uns als Unternehmen dadurch den strategischen Hebel, unsere Gründe gut zu erklären, möglicherweise Alternativen anzubieten. Wer immer nur Endzeitszenarien aufmacht und emotionalisiert, macht produktive Gespräche unmöglich. Emotionalität kann und darf genutzt werden, wir sollten uns aber immer fragen: Wozu? Ich beobachte diese Emotionalität auch oft in Change-Prozessen, die gerade für viele Unternehmen ÜBER-LEBENS-wichtig sind. Die Themen, die aktuell gesamtgesellschaftlich diskutiert werden, spiegeln sich in den Themen, die Unternehmen gerade umtreiben: nachhaltigere Lieferketten, eine andere Personalstrategie oder ressourcenschonende Produktion.
Wo immer bestehende Strukturen und eingeübte Prozesse verändert werden, entstehen Ängste. Und die gilt es, kommunikativ aufzugreifen, ihnen aber nicht zu verfallen. Mein Lieblingsbeispiel aus einem solchen Change-Prozess: „Wenn wir jetzt keine agilen Methoden einführen, wird es unser Team so in zwei Jahren nicht mehr geben!“ Alarmstufe Rot!
Wie diese Drohkulisse wohl zum Agilen Manifest passt? Natürlich überhaupt nicht. Ein agiles Mindset lebt ja gerade von Mut und Eigenverantwortung und einem klaren Ziel. Kurz könnte man auch sagen: „Foot in the Door“ statt „Door in the Face“. Wer hat schon Lust, sich auf grundlegende Veränderungen einzulassen, wenn ihm/ihr wie im Beispiel oben die Tür vor den Kopf geschlagen wird? Emotionalität rauszunehmen, ist immer eine gute Idee (nachdem Gefühle anerkannt und ergründet worden sind natürlich). Denn sehr starke Emotionen lösen meist nur kurzfristige und weniger kontrollierte Handlungen aus, die selten nachhaltige Veränderungen mit sich bringen. Was also bedeutet strategische Kommunikation in diesen Fällen konkret?
Auch Unternehmenskommunikation darf und soll natürlich emotionale Momente haben und ist nie rein sachlich. Im Rahmen einer abgestimmten und durchdachten Kommunikationsstrategie dürfen die drei klassischen Elemente jedes guten Textstücks oder auch jeder guten Rede nicht fehlen: Ethos, Pathos, Logos, der ganz klassische Dreiklang der Rhetorik – frei übersetzt Charakter, Emotion und Logik.
Zur Kommunikation gehört auf jeden Fall die Persönlichkeit des Sprechenden, seine Stimme muss hörbar und authentisch sein. Ein Klimaforscher mit dem Spezialgebiet ‚Gebäudeenergieoptimierung‘ wird in Sachen Nachhaltigkeit einer Heizung anders argumentieren als eine Handwerkerin, die technisch berät und für den Einbau und die spätere Wartung der Heizung verantwortlich ist. Dabei können jedoch beide Personen den gleichen Kommunikationsgegenstand behandeln. Das ist die erste Facette im oben zitierten Dreiklang, das Ethos meint das Selbst mit allen persönlichen Erfahrungen, die eine Argumentation schlüssig, ehrlich und nachvollziehbar machen können. Denn nur wenn wir eine persönliche und auch menschliche Relevanz spüren, lässt uns das selbst so umdenken, dass wir wirklich und nachhaltig unser Handeln verändern. Hier geht es vor allem um Authentizität.
Das Pathos bringt die Emotion ins Spiel, die gezielt eingesetzt und wohl dosiert natürlich nicht fehlen darf. Gut vorbereitet neigt man aber weit weniger dazu, mit Endzeit-Metaphern die Angstspirale zu füttern. Dass wir alle unseren Kindern eine lebenswerte Welt hinterlassen möchten, ist ein sehr verbindendes Gefühl, das in der Klima-Debatte etwas in Vergessenheit zu geraten scheint. Hier sei auch einmal kurz angemerkt, dass brachial einfache Beispiele oft noch stärker emotionalisieren als große Metaphern: Ein Klimaaktivist aus Indien berichtete jüngst, dass auf dem Subkontinent Adler tot vom Himmel fallen, weil sie aufgrund der Hitze nicht mehr fliegen können. Ein unfassbar trauriges und gleichzeitig unfassbar starkes Bild – ohne Metapher, ohne Übertreibung.
Komplett ist der rhetorische Dreiklang aber erst mit den passenden Sachargumenten, dem Logos. Auf das eigene Unternehmen bezogen sind dies beispielsweise die relevanten Umsatz- oder andere Kennzahlen, Marktanalysen, qualitative Interviews oder Langzeitstudien. Als Beispiel genannt sei hier der Entschluss zur Fokussierung auf eine bestimmte Unternehmenssparte, weil sich der Markt verändert hat und Bestellungen ausbleiben. Je transparenter eine Entscheidung erklärt werden kann, desto nachvollziehbarer wird sie für alle im Team. Dafür ist eine Sach-Argumentation unabdingbar. Jedoch gilt es auch zu beachten, dass einige Unternehmen sich eben ausschließlich auf diesen Bereich der Argumentation berufen und die beiden anderen Bereiche vernachlässigen.
Studien zeigen, dass diese Art der Kommunikation allein nicht hilft: „Research shows that showing people research doesn‘t work.“ – Prof. John Sterman
Es braucht demnach die Mischung: Erst wenn Argumente aus allen drei Bereichen in einer Rede, einem Text oder einer Kommunikationsstrategie vorkommen, wird sie harmonisch und überzeugend, ohne das Gegenüber zu ermatten, zu überfordern oder gar nicht erst nicht abzuholen.
Absolut nachvollziehbar - sowohl persönlich als auch im Company-Kontext, und es ist wichtig, diese Emotionalität zu sehen, zu schätzen und aufzugreifen. Aber das geht auch ohne Endzeitszenarien und weitere Dramatisierung. Genaugenommen wäre dies genau das Gegenteil von strategischer Kommunikation – und nur sie führt zum selbst gesteckten Ziel.
Um Unternehmen an diesen Knackpunkten zu unterstützen, widmen wir uns als Beratungsunternehmen dem ÜBER-LEBEN. Wir bieten den Blick von außen auf das System und möchten dabei helfen, Dampf erst einmal sichtbar zu machen, ihn dann auch wieder aus dem Kessel zu nehmen, indem wir gemeinsam die richtigen Worte wählen und im Rahmen einer abgestimmten und ganzheitlichen Kommunikationsstrategie das Team auf einen gemeinsamen Weg leiten.
Eine der besten Quellen zum Thema Klima-Kommunikation: https://www.psychologistsforfuture.org/
Eine schnelle, oberflächliche Annäherung an die drei Überzeugungsmittel ethos, pathos und logos: https://www.thesaurus.com/e/writing/ethos-pathos-logos/
Für eine nähere Beschäftigung mit dem Thema sei das Buch von Joachim Knape empfohlen: „Was ist Rhetorik?“
Ein Artikel, der sowohl sehr direkt als auch sehr metaphorisch arbeitet. Beobachten Sie die unterschiedlichen Herangehensweisen und überprüfen Sie für sich selbst, welche Art der Kommunikation Sie anspricht: https://eand.co/the-age-of-extinction-is-here-some-of-us-just-dont-know-it-yet-7001f5e0c79a
Sollten Sie sich für das Thema zielgerichtete Kommunikation interessieren, finden Sie hier eine Wissensdusche (unser 20-minütiges Kurzformat) in der ich mit dem Kollegen der Frage nachgehe welche emotionalen Triebfedern hinter einer Bewegung liegen (sowohl metaphorisch als auch tatsächlich):
In dieser Wissensdusche sprechen wir unter anderem vom Emotionskompass, diesen finden Sie hier als kostenfreien Download: