Damit Kinder und Jugendliche in sozialen Einrichtungen vor Gewalt und Grenzverletzungen geschützt werden können, und das konzeptionell gesichert, braucht es die aktive Partizipation aller Mitarbeiter*innen, auch die der nicht-pädagogischen Fachkräfte. Dabei kommt allen Kolleg*innen eine große Verantwortung zu. Die pädagogischen Fachkräfte begleiten und unterstützen gemäß Ihrem Bildungsauftrag Kinder und Jugendliche in der Entwicklung ihrer verschiedenen Kompetenzen und ermöglichen ihnen somit einen sicheren und vertrauensvollen Rahmen für ein ganzheitliches Lernen. Nicht-pädagogische Fachkräfte wie z.B. der pädagogisch „begabte“ Hausmeister, die herzlich zugewandte Hauswirtschaftskraft oder die interessierte Kollegin aus der Verwaltung besetzen häufig zentrale Schlüsselstellen und haben dort einen nicht zu unterschätzenden Kontakt zu Kindern und Jugendlichen.
Selbst ohne pädagogischen Auftrag sind sie für Kinder und Jugendliche oft wichtige Mitglieder der Organisation, spielen im Gesamtgeschehen eine nicht zu unterschätzende Rolle und prägen dadurch die Kultur der Einrichtung mit. Daher sind sie, wenn es z.B. darum geht, wie in der Einrichtung Nähe und Distanz im Umgang mit Klientel gelebt werden und welche Kultur in der Organisation gestaltet werden soll, zu beteiligen.
Im Idealfall erleben sich die Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung als Teil einer Gemeinschaft, in der Partizipation, Wertschätzung, Individualität, Respekt und Toleranz gelebt werden. Sie lernen, sich altersentsprechend an Prozessen zu beteiligen, eigene Gefühle wahrzunehmen und diese auch in Form von Wünschen oder Beschwerden zu artikulieren. Die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen setzt eine vertrauensvolle Beziehung und Atmosphäre voraus, in der die jungen Menschen ohne Angst aufwachsen und Fehler machen dürfen. Die Partizipation der Kinder und Jugendlichen auch und gerade an der Entwicklung eines Schutzkonzeptes ist in einer modernen und professionell geführten Einrichtung ein grundsätzliches, festes Element der Einrichtungskultur, gehört zum „Mindset“ der Organisation und ist methodisch im Portfolio verankert.
Die Förderung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in ihrer Entwicklung zu toleranten, selbstwirksamen und eigenständigen Persönlichkeiten erfordert einen sicheren Ort und Rahmen, der im einrichtungsspezifischen Schutzkonzept definiert werden muss. Folgerichtig kann ein authentisches Schutzkonzept nicht von einer Einzelperson, wie zum Beispiel der Einrichtungsleitung, ausgearbeitet werden. Ein Schutzkonzept beinhaltet neben der Aufzählung von Gefahrenquellen, Eventualitäten oder Ansprechpartner*innen zentrale kulturelle Aspekte.
Im Rahmen der Ausarbeitung eines Schutzkonzepts diskutiert und definiert das Gesamtteam eine gemeinsame professionelle Haltung. Wo beginnt eine Grenzverletzung? Wie gestalten wir Nähe und Distanz? Wie sprechen wir über Kolleg*innen, die nicht vor Ort sind? Sprechen wir eine gemeinsame pädagogische Sprache? Wie gehen wir mit Fehlern um? Wie werden neue Kolleg*innen eingearbeitet? Ein Schutzkonzept aufzusetzen bedeutet, gemeinsame Antworten auf diese und viele weitere Fragen zu finden. Es bedeutet außerdem ein einheitliches Verständnis von Partizipation, Bedarfen, Kinderrechten und professioneller Zusammenarbeit zu definieren. Auch die Etablierung einer professionellen Fehler- und Feedbackkultur ist wesentlich in der Umsetzung eines authentischen Schutzkonzeptes.
Die Einrichtungsleitung trägt hierbei die Gesamtverantwortung. Sie legt klare Richtlinien fest und stellt sicher, dass eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Themen „Gewalt und Grenzverletzungen“ stattfindet. Unter ihrer Führung wird eine einheitliche und klare Positionierung definiert. Dieser Prozess ist nicht als eine endliche Maßnahme zu verstehen. Das einrichtungsspezifische Schutzkonzept muss regelmäßig, zum Beispiel im Rahmen von Teamsitzungen, evaluiert, hinterfragt, überprüft und angepasst werden. Eine kontinuierliche und konzeptionelle Weiterentwicklung ist außerdem ein Verantwortungsbereich der Leitung. So müssen Einrichtungen zum Beispiel definieren, wie sie Partizipation verstehen und wie sie dieses gemeinsame Verständnis konkret im pädagogischen Alltag umsetzen.
Das Team diskutiert und beschließt gemeinsam, wie die Kinder und Jugendlichen altersentsprechend und aktiv dabei unterstützt werden, damit sie ihr Recht auf Partizipation wahrnehmen können. Neben der sprachlichen und sozialen Entwicklung der Kinder, fördert eine gelebte und strukturell verankerte Partizipation vor allem ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstwirksamkeit. Sie werden gehört und erleben, dass ihre Ideen, Wünsche oder Kritiken Einfluss haben können.
Es ist die Verantwortung der Leitung und aller Mitarbeiter*innen, dass eine Kultur der Partizipation entwickelt, etabliert und von allen getragen wird. Partizipation klug aufgesetzt bedeutet, dass sich die Mitarbeitenden sich in den Konzepten der Einrichtung wiederfinden und für die Umsetzung der niedergeschriebenen Grundlagen Verantwortung übernehmen und sich eine vertrauensvolle und professionelle Zusammenarbeit zwischen Einrichtungsleitung und Mitarbeitenden etabliert. Diese, von einem gemeinsamen Verständnis von Zusammenarbeit geprägte Kultur trägt dazu bei, dass Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen sichere Orte sind und zwar für die Kinder und Jugendlichen, aber auch für die Mitarbeiter*innen.
Lesen Sie im nachfolgenden Whitepaper mehr über die komplexen Hintergründe, Grundlagen und Bedingungen eines Schutzkonzeptes, damit es wirklich einrichtungsindividuell entwickelt werden kann und tatsächlich seine Wirkung entfaltet.
Sollten Sie sich beim Lesen selbst gefragt haben, wie weit Ihre eigene Einrichtung auf dem Weg zur Umsetzung eines Schutzkonzeptes ist, können Sie hier einen kurzen Test herunterladen, indem Sie anhand von 20 Fragen einen Eindruck über den Stand Ihrer Einrichtung erhalten können.