Thomas Maikath Lesezeit 7 Minuten

Agilität im Mittelstand

Agilität im Mittelstand: Vom Steuern zum Ermöglichen 

Agilität ist eines dieser Wörter, die in vielen Unternehmen inzwischen auf jeder zweiten Folie stehen – und trotzdem bleibt oft die Frage: Was heißt das eigentlich konkret für unseren Alltag, für unser Miteinander, für Führung? 

Genau darum ging es in einer Working Session beim SHIFT.ED InnoCube 2025 von Lumanaa. Die Idee: Weg von der Folien-Agilität, hin zu einem ehrlichen Blick auf Erfahrungen, Chancen, Vorbehalte – und die Frage, was Führung ganz konkret anders tun muss, wenn Agilität mehr sein soll als ein Projektlabel. 

Wir haben gefragt: Was bedeutet Agilität für die Teilnehmenden heute? 

Das klare Bild: Hier und da agile Projekte, erste Scrum-Experimente, Tools wie Kanban oder Retros – aber meist nur punktuell. Gleichzeitig viel Hoffnung auf mehr Mitgestaltung, echte Veränderung und engere Zusammenarbeit.  
 
Und doch standen daneben auch Bauchschmerzen: „agil“ als Modewort, Methoden von oben verordnet, die Sorge vor noch mehr Tempo und unklaren Rollen.

Zwischen den Zeilen war deutlich zu spüren: Agilität wird im Alltag häufig als Toolset erlebt – aber noch zu selten als Haltungsfrage. 

Ein Satz, der diese Dynamik schön eingefangen hat, stand später groß auf unseren Boards:

Wissen → Wollen → Glauben → Tun = leben 

Also: Nur weil ich etwas weiß („Wir sollten agiler werden“), heißt das noch lange nicht, dass ich es will, daran glaube und es wirklich tue. Agilität braucht diesen ganzen Weg – vom Verstehen bis ins gelebte Verhalten.

Die agile Zwiebel: Mindset vor Methoden 

Im fachlichen Input haben Paula und Thomas genau hier angesetzt. Anstatt die x-te Methode zu erklären, ging es zuerst um die Frage: „Wie entsteht Agilität eigentlich – von innen nach außen?“ 

Dazu diente das Bild einer agilen Zwiebel: 

  • Im Kern: Werte – etwa Offenheit, Fokus, Mut, Respekt. 
  • Darum herum: Prinzipien – z. B. kurze Feedbackschleifen, Transparenz, Arbeiten in kleinen, lernenden Schritten. 
  • Ganz außen: Praktiken und Tools – Daily-Stand-ups, Retros, Boards, Delegation Poker, Reviews usw. 

Die Wirkung: Plötzlich war klar, warum so viele Organisationen mit der Einführung einzelner Methoden irgendwann an Grenzen stoßen. Wer nur an der Außenschicht der Zwiebel arbeitet, bekommt zwar sichtbar „etwas Agiles“ – aber das Fundament fehlt. 

Die entscheidende Frage verschiebt sich damit: 
Nicht mehr „Welche Methode müssen wir jetzt einführen?“, sondern: 

„Welche Werte und Prinzipien sollen unsere Zusammenarbeit prägen – und welche Praktiken passen wirklich zu uns?“ 

Agiler werden in der Führung: Drei Verschiebungen 

Im zweiten Teil ging es um Führung. Viele Unternehmen wünschen sich agile Teams, führen aber weiter mit klassischen Steuerungslogiken – ein spürbarer Widerspruch. Gemeinsam haben wir drei notwendige Verschiebungen benannt:

- Steuern → Ermöglichen, also klare Ziele und Rahmen statt Mikromanagement
- Wissen → Lernen, weg vom Anspruch, alles zu wissen, hin zu Experimenten und echter Feedbackkultur
- Silo → Beziehung, denn ohne Vertrauen, Austausch über Bereichsgrenzen hinweg und psychologische Sicherheit kann Agilität im Alltag kaum Wirkung entfalten. 


Doing, Being, Leading Agile 

Gegen Ende der Working Session haben wir den Fokus noch einmal auf die Personen im Raum gelegt: „Wo steht ihr selbst aktuell – und wo wollt ihr hin?“ 

Drei Begriffe halfen bei der Einordnung: 

  • Doing Agile – Methoden anwenden, Dailys durchführen, Boards pflegen, Projekte nach Scrum strukturieren. 
  • Being Agile – die dahinterliegenden Werte und Prinzipien im eigenen Verhalten zeigen: offen kommunizieren, Feedback einholen, Experimente zulassen. 
  • Leading Agile – Rahmen gestalten, Schutzräume für Lernen schaffen, Hindernisse aus dem Weg räumen, Orientierung geben, statt Mikromanagement zu betreiben.

    Spannend: Viele Teilnehmende erkannten sich im „Doing“ wieder – und spürten gleichzeitig, dass sie beim „Being“ und „Leading“ noch Luft nach oben haben. Genau hier liegt für viele Mittelständler der Hebel: nicht noch mehr Tools, sondern mutigere Führung. 

Fazit: 
Für den Mittelstand heißt das im Kern: Agilität ist kein IT-Projekt, sondern eine Frage von Haltung, Führung und Zusammenarbeit.  
 
Gerade mittelständische Unternehmen bringen mit kurzen Wegen und viel Pragmatismus gute Voraussetzungen mit – wenn sie diese mit einer lernorientierten Haltung verbinden. Entscheidend ist die Rolle der Führung: Wer vom Steuern ins Ermöglichen geht, vom „Alles wissen“ ins gemeinsame Lernen und von Silos in echte Beziehungen, macht Agilität erst wirksam. Agile Boards ohne agile Führung sind wie ein Rennrad im Keller – theoretisch schnell, praktisch steht es still.  
 
Die Session im SHIFT.ED InnoCube war deshalb weniger Abschluss als Startpunkt: eine Einladung, im eigenen Unternehmen mit kleinen Schritten zu beginnen und Organisationen Schritt für Schritt beweglicher, lernfähiger und menschlicher zu machen.