Paula Bemmann-Wöschler Dec 9, 2023 7:00:00 AM Lesezeit 6 Minuten

Stress lass nach! Die eigene Resilienz stärken

Auch wenn Resilienz in aller Munde ist, wissen die wenigsten, was der Begriff eigentlich genau bedeutet. Dass Resilienz irgendetwas mit Stress zu tun hat, hat sich herumgesprochen. Aber damit fangen die Missverständnisse oft auch schon an…

Wir räumen heute mal mit dem Irrglauben auf, dass es dabei darum geht, Stress zu meiden. Diese Idee verkennt, dass es immer wieder stressige Phasen geben wird. Was ich ändern kann, ist jedoch mein Umgang damit. Schon das reduziert mein Stress-Empfinden, weil ich selbstwirksam bleibe und Einfluss nehme.

Ursprünglich kommt der Begriff Resilienz aus der Physik. In der Materialkunde bezeichnet er Stoffe, die nach extremer Spannung in ihren Ursprungszustand zurückkehren. Er wird oft mit Widerstandsfähigkeit übersetzt.

Beim Stärken der Resilienz geht es also keinesfalls darum, keinen Stress mehr zu haben, sondern vielmehr die eigene Anpassungsfähigkeit an stressige Phasen zu erhöhen, um gleichsam in den Ursprungszustand zurückkehren zu können, indem wir auf die nächste Erholungsphase hinarbeiten. Idealerweise gelingt es, das tägliche Anspannungslevel niedrig zu halten, um nur selten in Stress-Phasen zu gelangen.

Belastung und Stress

Schauen wir dazu erst noch einmal an, wozu Stress eigentlich da ist: Der Sinn von Stress ist es schon seit Urzeiten, auf den Punkt genau hoch leistungsfähig zu sein. Denken wir an die Urmenschen zurück: sie brauchten Stressreaktionen ihres Körpers für einen erfolgreichen Angriff oder eine erfolgreiche Flucht. Stressreaktionen garantierten also unser Überleben! Denn was macht der Körper, wenn ein Stressor auftritt?

  • Er aktiviert das zentrale Nervensystem.
  • Hormone wie (Nor-)Adrenalin, Cortisol und Testosteron werden vermehrt ausgeschüttet.
  • Puls, Atemfrequenz und Blutdruck steigen.
  • Im Blut werden vermehrt rote Blutkörperchen produziert, um den erhöhten Sauerstoffbedarf zu decken.
  • Die Zahl der Blutplättchen erhöht sich, sie können schneller am Ort der „Gefahr“ mobilisiert werden, der Gerinnungsfaktor im Blut steigt ebenfalls.
  • Das vegetative Nervensystem fährt die Verdauungstätigkeit herunter, um alle Energie für Bewegung zu mobilisieren.
  • Sensibilität und Wahrnehmung verändern sich: Wir bekommen den sogenannten „Tunnelblick“, der dazu dient, uns voll und ganz auf das eine Ziel (Flucht oder Angriff) zu fokussieren.

Wenn man das so liest, wird schnell klar, dass Stress für den Körper eine punktgenaue Hochleistungsstrategie ist, die unser Überleben absichert. Er dient dazu, kurzfristig Fokus und Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Als Dauerzustand bewirkt Stress aber genau das Gegenteil. Die Körperabwehr wird durch den anhaltenden „Alarm“-Zustand geschwächt und die Leistungsfähigkeit sinkt. Deshalb sind Pausen und Erholungsphasen so wichtig für uns.

Resilienz

Abb. 1: Gesunder Stress-Ablauf: Stressor, Stressreaktion, Aktion, Erholung.

Denn wenn wir es nicht mehr schaffen, uns wieder „runter zu pegeln“, werden wir die Stresshormone nicht mehr los. Das führt zu einer allgemein hohen Anspannung. In solchen Phasen führt dann schon der kleinste zusätzliche Stressor in die nächste Stressreaktion hinein.

Resilienz

Abb. 2: Wie Stress zur Belastung führt. 

Wir sind permanent hoch angespannt, können uns nicht mehr entspannen und Stresshormone abbauen, sodass wir in ein Gefühl allgemeiner Überforderung und Erschöpfung gleiten. Dann wird Stress zum Teufelskreis.

Der Stress-Teufelskreis

Als Teufelskreis (lateinisch „circulus vitiosus“ = „schädlicher Kreis“), wird ein System bezeichnet, in dem mehrere Faktoren sich gegenseitig verstärken und so einen Zustand immer weiter verschlechtern. Genau dies passiert, wenn wir von „Dauerstress“ sprechen. Um aus einem solchen Stress-Teufelskreis aussteigen zu können, müssen wir ihn zunächst verstehen:

ResilienzAbb. 3: Stress-Teufelskreis mit zwei Ausstiegsmöglichkeiten. 

Zu Beginn gibt es immer eine Wahrnehmung, z.B. Druck im Magen. Mögliche Gedanken liefern uns dann eine Interpretation der Situation: „Jetzt geht mein Stress schon auf den Magen!“ Um einen schönen „schädlichen Kreis“, also Teufelskreis, hinzubekommen, ist es erforderlich (!) das Gefühl im Magen als Gefahr einzustufen. Nur so kann sich unser Gedanken-Karussell munter weiterdrehen: „Bald habe ich eine Magenschleimhautentzündung!“ Die darauffolgende emotionale Reaktion ist Angst (vor ernsthafter Erkrankung) mit ggf. Wut – meist auf äußere „Verursacher“ (z.B. druckmachende Führungskraft oder antreibender Arbeitgeber…). Und wenn jetzt die Aufmerksamkeit vermehrt auf den Magen gerichtet ist, nehme ich (fast zwangsläufig) jede kleine Regung aus der Magengegend wahr und komme zu dem Schluss, die Beschwerden vermehren sich! Jetzt fange ich an zu grübeln, wie schlimm es schon ist und werden kann, nachzurechnen wie lange das schon so geht, mich zu sorgen, dass ich keinen Arzttermin so schnell bekomme und überhaupt, mir vorzustellen, wie ich bei all dem Stress auf der Arbeit auch noch einen Arzttermin dazwischen bekommen soll… Da wundert es beim Lesen sicherlich nicht, dass solche Gedanken nicht grade das Einschlafen fördern und Schwups habe ich ein neues Symptom entdeckt: Einschlafstörungen! Kommt jetzt noch eine fehlende oder unzureichende Bewältigung hinzu, zieht es mich tiefer in die Stress-Spirale hinein: Ich verliere die Überzeugung, dass ich selbst etwas verändern kann und komme immer mehr zu der Ansicht, dass ich den Rahmenbedingungen oder den Ansprüchen anderer ausgeliefert bin. Spätestens jetzt finde ich mich in einem Zustand der Überforderung wieder, entwickele möglicherweise sogar Angst-Fantasien: „Ich komme da nie wieder raus.“ Das schlägt mir wiederum auf den Magen… Der Stress-Teufelskreis beginnt sich zu verfestigen.

Wie gelingt ein Ausstieg?

Die 1. Ausstiegsmöglichkeit gelingt über die Veränderung der Bewertung und Interpretation unserer Gedanken (im Stress-Teufelskreis oben bei Schritt 2). Statt den Druck im Magen mit „Gefahr“ zu bewerten, kann ich auch bewusst nach konstruktiveren Interpretationen suchen. „Ich habe zu wenig gegessen!“, könnte eine solche sein. Dann komme ich zu einem ganz anderen Schluss (wenn ich im positiven Mindset bleibe): „Deshalb mache ich jetzt eine Pause und werde etwas essen. Danach habe ich wieder Energie und kann konzentrierter und damit schneller meine Aufgaben abarbeiten.“

Die 2. Ausstiegsmöglichkeit gelingt, wenn ich mir eingestehe, dass meine bisherigen Bewältigungsstrategien nicht mehr oder nur noch ungenügend funktionieren. Vielleicht fange ich damit an, mit mehr Ruhe zu essen? Oder ich nehme mir kurz Zeit zu reflektieren, was vor dem Magenschmerz passiert ist? Habe ich vielleicht zu schnell „ja“ gesagt? Wie kann ich lernen, mich besser abzugrenzen? Wo kann ich mir Hilfe holen, wenn mir allein keine Veränderung gelingt?

Der Unterschied zwischen Leistungsförderung (Eustress) und Leistungshemmung (Distress)

Neben dem Mythos einer Welt ohne Stress möchte ich auch mit dem Mythos, dass zu viel Arbeit(sstunden) per se zu leistungshemmendem oder krankmachendem Stress bis hin zu Burnout führt, aufräumen. Denn wir brauchen ein gewisses Anspannungslevel, auch Stress genannt, um gute Leistung zu erbringen. Vielleicht kennen Sie es auch, dass etwas Zeitdruck Sie besonders effizient, weil fokussiert und konzentriert, Aufgaben abarbeiten lässt? Oder ein gewisses Lampenfieber Ihre Begeisterungsfähigkeit für ein bestimmtes Thema und Ihre Präsenz während einer wichtigen Präsentation erst erlebbar macht und Sie andere dadurch überzeugen konnten? Diese gute, animierende Form nennen wir Eustress.

Nur wenn Freude und Sinn verloren gehen und Überforderung eintritt, weil wir unsere Wirkmacht verlieren, kippt der Eustress in den sogenannten Distress. Erst dann geraten wir in einen Stress-Teufelskreis, der bis in einen Burnout führen kann. Distress kann aber auch bei Unterforderung durch sinnlose Aufgaben auftreten (vgl. Abb. 4).

ResilienzAbb. 4: Eustress vs. Distress.

Wichtig ist aber vor allen Dingen, sich klar zu machen, dass Stress im Sinne von Belastung sehr subjektiv empfunden wird und vom aktuellen Anspannungslevel (vgl. Abb. 2) abhängig ist.

Wenn Sie nun Lust bekommen haben, sich mit Ihren persönlichen Stressoren zu beschäftigen und Ihre Resilienz zu stärken, dann downloaden Sie sich doch einfach unseren Resilienz-Canvas und füllen ihn aus. Eine Anleitung dafür, erhalten Sie mit dem Download. Gute Erkenntnisse und viel Spaß dabei!

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