Kennen Sie das auch? Ein Thema findet Sie, obwohl Sie gar nicht danach gesucht haben? Und ist es erst einmal im Kopf, tauchen überall weitere Aspekte, Fragen oder Querverweise auf. So ging es mir in diesem Jahr mit dem Thema „Generationenkonflikte“. Den Anstoß gab für mich ein Workshop mit einem jungen Team, indem etwas überspitzt formuliert die Aussage fiel: „Was die Alten da machen, kann ja nicht funktionieren.“
Als Moderator und Coach habe ich hinterfragt, wo diese doch sehr pauschale und auch respektlose Einschätzung herkommt. In der darauffolgenden Diskussion wurde die Aussage dann zwar relativiert, dennoch blieb dieses Gefühl von Respektlosigkeit gegenüber den älteren Kolleg*innen und ihrer anderen Herangehensweise. In meinem Kopf bildeten sich im Nachgang außerdem viele Fragen: Haben sich Auseinandersetzungen zwischen den Generationen verändert? Wird der Ton wie überall in der Gesellschaft schärfer? Welche Vorurteile pflegen wir eigentlich übereinander, die Jüngeren und die Älteren? Und bei allen Unterschieden: Wie können wir dennoch erfolgreiche, auch alters-diverse Teams bilden?
Die Generationen X, Y und Z
Im aktuellen Arbeitsmarkt haben an vielen Stellen noch die sogenannten Babyboomer (1946-1964) das Sagen, sie setzen sich aber so langsam alle zur Ruhe und übergeben an die Generation X (1965-1980). Zwei Drittel dieser Generation haben geringe Führungszweifel, nur ein Drittel plagen hohe Führungszweifel. In der Generation Y (auch Millennials) (1981-1995) hat sich dieses Streben nach Status ein gutes Stück verschoben: Nur 55% haben geringe Führungszweifel, 45% streben keine Führungsverantwortung an und haben hohe Führungszweifel. Sie glauben nicht an Sachzwänge, sondern sind überzeugt, dass man grundsätzlich auch alles anders machen kann. Auch die Generation Z (1996-2010) ist natürlich schon im Arbeitsmarkt präsent. Sie hat die Digitalisierung des Alltags bereits komplett in ihr Leben integriert. Die Generationen Y und Z grenzen sich bewusst – wie alle Generationen vor ihnen – von den älteren Generationen ab. Sie haben gesehen, wie ihre Eltern sich überarbeiten, teils bis zum Burn-Out und wollen das nicht wiederholen. Daher ist bei ihnen der Anspruch an Purpose, den Sinn in der Arbeit, viel stärker ausgeprägt. Ihnen geht es weniger um Status und Geld als noch der Generation X.
Die agilen Werte
Schauen wir uns zunächst die agilen Werte an, die schon lange die Basis meiner Beratungstätigkeit sind. Agile Ansätze helfen in der Welt im Wandel sehr, weil kurze Planungsintervalle Teil des Konzepts sind. Wer agil arbeitet, plant kurzzyklisch, generiert in sogenannten Sprints schnell die nächsten Ergebnisse auf Basis des aktuell vorhandenen (unvollständigen) Wissens. Durch Retrospektiven wird schnelles und permanentes Lernen etabliert, um, „wieselflink“ immer für einen kurzen Augenblick einen festen Stand zu haben. Das bietet die Möglichkeit, jederzeit blitzschnell einen Ausfallschritt in jede Richtung machen, der nur einen kleinen Moment der Instabilität bedeutet, bevor ich dann wieder (kurz) sicheren Stand habe. Für diese Flexibilität dürfen im Hintergrund trotzdem eine klare Vision und Zielposition nicht fehlen. Entscheidend ist, dass der Weg dahin flexibel bleibt und unterwegs stetig an sich ändernde Rahmenbedingungen angepasst wird.
Wie passt diese Flexibilität zu Stereotypen über die Generationen, die vor allem eines sind: starr. Der Harvard Business Manager fasste die gängigen Generationen-Vorurteile in seinem Schwerpunkt Generationen unter dem schönen Titel „Junge Säcke, alte Hüpfer“ im September-Heft 2022 so zusammen: „Babyboomer sind borniert und arrogant. Die Generation X ist zynisch und unengagiert. Millenials sind zu anspruchsvoll. Die Generation Z ist narzisstisch und will nicht hart arbeiten.“
Puh. Eine schwierige Basis für eine produktive und motivierende Zusammenarbeit verschiedener Generationen im Team… Lassen Sie uns also die agilen Werte einmal etwas genauer anschauen:
Abb. 1: Agile Werte.
Ein gut funktionierendes, leistungsstarkes und erfolgreiches Team beherzigt diese Werte im besten Fall alle. Dennoch möchte ich hier die Werte „Respekt“ und „Offenheit“ einmal besonders herausgreifen, die ich in Generationskonflikten für besonders elementar halte. Wer anderen respektvoll begegnet, hat stets im Blick, dass Menschen durch ihre persönliche Sozialisierung und ihre Erfahrungen geprägt werden. Dieser vielfältigen Andersartigkeit mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen und sie in das Team und die Arbeit zu integrieren, ist das Ziel.
Der mangelnde Respekt im Arbeitsleben hat eine neue Facette: Früher wurden die Jungen nicht ernst und für voll genommen. Heute blicken oft die Jungen spöttisch auf die ältere Generation, weil diese nicht mehr up to date ist. In der Transformation bringt (Lebens-)Erfahrung allein nicht den nötigen (Wissens-)Vorsprung. Das war früher tatsächlich anders, ist aber immer noch kein Grund für Altersdiskriminierung. Dass die Jungen neue Technologien und Arbeitsweisen oft schneller adaptieren und sich so am Puls der Zeit fühlen, reicht allein eben auch nicht aus.
Der agile Wert der Offenheit beinhaltet, ehrlich und transparent in der Kommunikation und Information zu sein. Dadurch lässt sich eine vertrauensvolle Umgebung schaffen, in der Wahrheiten, auch die unbequemen, ausgesprochen werden.
Nur wenn es uns gelingt, den Raum für die beschriebene Offenheit im Team gemeinsam zu schaffen, fühlen sich alle Beteiligten wohl genug, offen zu sprechen. Nur so schaffen wir es, die üblichen Stereotype zu überwinden und wirklich miteinander ins Gespräch zu kommen, egal wie unterschiedlich alt die einzelnen Teammitglieder sind.
Teamentwicklung mit Respekt und Offenheit
Wie also schaffen es Menschen unterschiedlichen Alters, sich gegenseitig zu respektieren? Der Anfang ist gemacht, wenn alle offen dafür sind, die Perspektive zu wechseln.
Das bedeutet aus Sicht der Jungen: Auch das Lebenswerk der Älteren anerkennen. Aus Sicht der Älteren sollte die Erkenntnis wachsen, dass man heute nicht mehr 20 Jahre Berufserfahrung braucht, um Dinge zu können. Vieles verändert sich sehr schnell.
Wie aber schafft man es, diese Offenheit im Team in Generationenkonflikten zu erarbeiten? Die typischen Konflikte kennen wir natürlich auch aus unserem eigenen Unternehmen. Auch bei Lumanaa arbeiten Kolleg*innen ganz unterschiedlichen Alters und mit ganz unterschiedlichem Erfahrungshorizont zusammen. Auch bei uns reiben sich die Jungen manchmal daran, dass die Älteren nicht immer einen intuitiven Zugang zu neuen Anwendungen haben und wir Älteren wundern uns, warum die Jüngeren nicht sehen, welche unserer Erfahrungen an bestimmten Stellen sehr relevant ist. Was dann hilft: Diese Beobachtungen und überhaupt Vorurteile anzusprechen und das Gegenüber zu seiner Sicht auf das Thema zu fragen. Denn niemand fühlt sich gerne in eine (Generationen-)Schublade gesteckt.
Wie man Generationenkonflikte in Teams löst
Gerade weil es zu Konflikten zwischen den Generationen kommt, gilt es, bei der Teamentwicklung Diversität auch in Altersfragen anzustreben. Wenn Respekt und Neugierde auf die andere Seite gegeben sind, finden Teams ganz neue Perspektiven und Lösungen. Sie sind mutig, auch mal Dinge auszuprobieren, von denen die eine Person selbst nicht überzeugt ist, die „andere“ Seite aber eben doch.
Der Harvard Business Manager stellt im besagten Generationen-Schwerpunkt des September-Hefts das „Schattenkabinett“ als Lösungsansatz vor. Den Begriff kennen wir aus politischen Wahlkämpfen, wenn die jeweiligen Parteien schon vor der Wahl mögliche Ministerinnen und Minister ihres Kabinetts vorstellen, was die geplanten Akzente (und natürlich auch Personen) der zukünftigen Politik in die Öffentlichkeit transportieren soll.
In Unternehmen geht es bei einem Schattenkabinett oder auch Schattenvorstand (auch: „shadow board“) weniger um die künftige Zusammenstellung der Führungsetage, sondern vielmehr darum, ganz junge Menschen aus dem Unternehmen in die Führungsetage zu holen, um deren Sichtweise zu verstehen und in den direkten Austausch mit ihnen zu gehen. Neben diesem Grundgedanken, sich die Sichtweise der Millennials direkt in den Vorstand zu holen, hat die Idee noch einen zweiten, nicht zu unterschätzenden Pluspunkt: Insbesondere Millennials wollen mehr beteiligt werden, sie wollen den Sinn Ihre Tuns verstehen und nicht einfach nur Arbeitsanweisungen umsetzen. Können Sie Ihre Gedanken also ins Führungsgremium einbringen, sind sie viel näher an den Entscheidungsprozessen und können so sich selbst, aber auch ihre gleichaltrigen Peers ganz anders motivieren.
Wichtig ist, dass ein solches Schattenkabinett von den Mitgliedern des Vorstands wirklich akzeptiert und die Berufseinsteiger*innen auf Augenhöhe behandelt werden. Eine klare Struktur für die Zusammenarbeit der Gremien ist daher unerlässlich. Zum einen muss der Turnus der Zusammenkünfte klar definiert sein, aber natürlich auch die Rahmenbedingungen wie tatsächliche Mitwirkungsmöglichkeiten oder eher eine Beratungsfunktion. In aller Regel wird die zusätzliche Tätigkeit nicht zusätzlich vergütet. Wenn dies so ist, muss das natürlich transparent kommuniziert werden, damit alle Beteiligten wissen, worauf sie sich einlassen.
Das Team-Performance-Modell
Bewusst die Perspektive der Jungen in die Führungsetage zu holen, ist für alle von Vorteil: Das Top-Management erweitert den Fokus und lernt neue Sichtweisen kennen, was Innovationen erleichtern kann. Die Jüngeren fühlen sich einbezogen, lernen die Komplexität der Entscheidungen im Führungsgremium kennen und können so ebenfalls vom Perspektivwechsel profitieren.
So kann es gelingen, ein gemeinsames Ziel in den Blick zu nehmen und dort zu behalten, weil alle involviert sind.
An genau dieser Bereitschaft zum Perspektivwechsel mangelte es im eingangs kurz geschilderten Beispiel. Das junge Team performte innerhalb seiner eigenen „Bubble“, mit ihren direkten Peers immer sehr gut. Erst wenn die als schwerfällig und nicht mehr zeitgemäß kritisierte IT-Abteilung ins Spiel kam, wurde es schwierig und fehleranfällig. Die Fehler immer nur auf „die anderen“ zuschieben, ist schlicht zu kurz gesprungen.
Sich der eigenen Vorurteile bewusst zu werden, Probleme mit dem Gegenüber anzusprechen und zu hinterfragen, sind wichtige Aspekte der Zusammenarbeit in diversen Teams, die das Team-Performance-Modell unterstützt.
Bei der Arbeit nach diesem Modell formuliert das Team nicht nur ein gemeinsames Ziel, sondern fragt sich auch, was der Beitrag jedes und jeder einzelnen auf dem Weg dorthin ist. In dieser ersten Phase des „Erschaffens“ schreitet die Teambildung mit den folgenden vier Fragestellungen voran:
1. Sich orientieren: Warum bin ich hier?
2. Vertrauen bilden: Neugierig sein, wer bist du eigentlich?
3. Ziele klären: Was machen wir?
4. Bereitschaft erklären: Wie machen wir es?
Abb. 2: Team-Performance-Modell nach Drexler/Sibbet.
Diesen Fragestellungen wohnt die Offenheit inne, sich immer wieder auf eine andere, für einen selbst vielleicht neue und ungewohnte Sichtweise einzulassen. Dass erst im letzten Schritt vor der dann folgenden Umsetzung das „Wie“ geklärt wird, hilft dabei, die üblichen Generationenkonflikte zu vermeiden, weil sich an diesem Punkt alle schon so gut kennen und verstehen, dass sie bereit sind, sich auf neue Wege, die manchmal auch die alten sein können, einzulassen.
Wie soll beispielsweise die 55-jährige Marketingleiterin wirklich beurteilen, welche Inhalte oder Formate auf TikTok funktionieren werden? Ein 22-jähriger Dualer Student kann aus ihrem eigenen Erleben viel direkter Ideen einbringen, weil er auf dieser und anderen Social Media-Plattformen viel mehr zu Hause ist. Dieses praktische Wissen mit dem strategischen Know-how der erfahreneren Mitglieder des Teams zusammenzubringen, ist dann die wirkliche Kür!
Sie möchten mehr Offenheit und Respekt in Ihrem Team etablieren? Dabei Vorurteile überwinden und wieder produktiver zusammenarbeiten? Lassen Sie uns darüber persönlich sprechen.