Überlegungen und Konzepte für erfolgreiche Teams gibt es unzählige. Eine der interessantesten Studien in dem Bereich hat Google im Jahr 2015 veröffentlicht. Um der Frage auf den Grund zu gehen, untersuchte Google in seinem „Projekt Aristoteles“ über zwei Jahre hinweg 180 Teams, in denen 37.000 Mitarbeitende zusammenarbeiten, um Muster, Erfolgsfaktoren und Kriterien aufzuschlüsseln, die Teams erfolgreich machen. Warum sie das Projekt Aristoteles nannten? Dahinter steckt der berühmte Satz des griechischen Philosophen: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“ Und das trifft auf gute Teams in der Tat zu.
Aber wie wird das Ganze mehr als die Summe seiner Teile? Interessanterweise fanden die Forscher:innen im „Project Aristoteles“ Muster für erfolgreiche Teams, die erfahrene Führungskräfte intuitiv bestätigen würden: In den besten Teams hören die Mitglieder einander zu und zeigen gegenseitig Sensibilität für Gefühle und Bedürfnisse. Wie divers ein Team ist oder wie viele unterschiedliche Fachleute eingebunden sind, ist eher nachrangig.
Lassen sich softe Erfolgsfaktoren rationalisieren und skalieren?
Nun sind diese Schlussfolgerungen aber mit Zahlen, Daten und Fakten zu untermauern: Menschen interagieren in Teams besonders erfolgreich, wenn sie sich dort sicher fühlen. Neben dem Faktor der psychologischen Sicherheit hat die Studie noch andere Normen herausgearbeitet, die für den Erfolg von entscheidender Bedeutung sind. Etwa dafür zu sorgen, dass die Teams klare Ziele und eine Kultur der Verlässlichkeit haben. Die wesentlichen Einflussfaktoren nach dem „Project Aristoteles“ sind:
- Emotionale Sicherheit
- Zuverlässigkeit
- Struktur & Klarheit
- Überzeugung
- Höherer Sinn
Hätten Sie das so erwartet? Wer etwas in sich hineinhorcht, weiß, dass niemand gerne ein „work face“ aufsetzen möchte, das ganz anders ist als das Gesicht im privaten Leben. Alle möchten sich auch bei der Arbeit als ganze Menschen zeigen können, ohne einen Teil ihrer Persönlichkeit zu Hause zu lassen. Sich nur auf Effizienz zu fokussieren, macht uns Menschen nicht glücklich.
Erfolgreiche Teams nach Google Studie Aristoteles, Quelle: Eigene Darstellung
Aber wann fühlen Menschen „Psychologische Sicherheit"?
Das Konzept der „psychologischen Sicherheit“ geht auf ein Modell von Amy Edmondson zurück. Die Google-Forscher:innen zogen dies für ihre Studie heran. Edmondson definiert “psychologische Sicherheit” als eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der alle Teammitglieder sich offen äußern können, ohne beschämt, abgewiesen oder sonst wie negativ sanktioniert zu werden.
Positiv formuliert bedeutet das: Psychologische Sicherheit entsteht, wenn ich Verantwortung übernehmen kann, Vertrauen geschenkt bekomme und mich traue, Verletzlichkeit zu zeigen. Und das sind wesentliche – nun datenbasierte – Erkenntnisse des „Project Aristoteles“.
Einflussfaktoren und Merkmale Psychologischer Sicherheit in Teams, Quelle: Eigene Darstellung
Wie können Führungskräfte psychologische Sicherheit schaffen?
Also Umgebungen, in denen es für alle möglich ist, ohne „work face“ zur Arbeit zu kommen?
Als ein Muster hatte die Studie beispielsweise identifiziert, dass psychologische Sicherheit und Gespräche, in denen auch die eigenen Ansichten, Bedürfnisse und Emotionen gezeigt werden dürfen, zusammenhängen. Wenn alle im Team das Gefühl haben, zu gleichen Teilen zum Gespräch beitragen zu können, also ähnliche Redeanteile zu haben, fühlen sie sich sicherer, als wenn es im Meeting eine:n oder wenige Wortführer gibt. Alle im Team trauen sich dann, offener zu kommunizieren und ihre Sicht der Dinge zu artikulieren.
Grundlegende Beziehungsbedürfnisse von Menschen
Treten wir nochmal einen Schritt zurück und führen uns vor Augen, was grundlegende Bedürfnisse von Menschen sind: Wir suchen Autonomie, möchten Kompetenz zeigen und in Beziehung zu anderen Menschen treten. In welcher Ausprägung diese drei Bedürfnisse für jede:n einzelne:n wichtig sind, ist sehr individuell und verändert sich natürlich im Laufe des Lebens. Wenn ein Team in der Lage ist, die Bedürfnisse seiner Mitglieder auszutarieren, empfinden sie psychologische Sicherheit.
Bedürfnisse nach dem Spiral Dynamics-Modell
Das klingt auf den ersten Blick so einfach, ist aber bei näherem Hinschauen durchaus komplex. Um zu veranschaulichen, wie individuell die Bedürfnisse von Mitarbeitenden in Teams sind, haben wir das Spiral Dynamics-Modell zugrunde gelegt. Dieses Modell bietet eine farblich codierte Strukturierung der Kompetenzen, Werte und Bewusstseinsentwicklung von Menschen in acht Ebenen. Wenn Sie eine Einführung zum Thema Spiral Dynamics wünschen, laden Sie sich gerne folgenden Methodenbeitrag herunter:
In der folgenden Grafik sind Merkmale der einzelnen Typen von Mitarbeitenden für die Ebenen rot, blau, orange, grün und gelb ausdifferenziert.
Bedürfnisse von Mitarbeitenden nach Spiral Dynamics Modell, Quelle: Eigene Darstellung
Hier zeigt sich schnell, dass unterschiedliche Menschen, unterschiedliche Strukturen und Ansprache benötigen, um sich emotional sicher zu fühlen. Auf der roten Ebene empfinden die Teammitglieder beispielsweise machtvolles Handeln der Führungskraft sicherheitsgebend. Die Hierarchie basiert auf Stärke und Dominanz, autoritäre Anweisungen geben Orientierung. Auf der orangen Ebene erwarten Mitarbeitende transparente Ziele, um erfolgreiche zusammen zu arbeiten. Denn hier ist die Autonomie bzw. der Gestaltungsspielraum jedes einzelnen Teammitgliedes handlungsleitend.
Handlungsprinizipien und Bedürfnisse von Mitarbeitenden nach Spiral Dynamics Modell, Quelle: Eigene Darstellung
Wenn ich als Führungskraft um die Ebenen (Farben), auf denen meine Organisation und deren Teams sich befinden, weiß, habe ich einen Anhaltspunkt, was meine Mitarbeitenden brauchen, um psychologische Sicherheit zu finden.
Das Team Performance Modell
Im nächsten Schritt haben wir die Fragen aus dem Team-Performance-Modell hinzugenommen, um zu visualisieren, welche unterschiedliche Rahmenbedingungen unterschiedliche Menschen brauchen, um gute Leistungen zu erbringen.
Auch diese Fragen nehmen zunächst in den Blick, was die Teammitglieder zur Orientierung und für ihre Sicherheit brauchen. Erst wenn diese fast persönlichen Fragen geklärt sind, geht es im nächsten Schritt um Ziele und deren Umsetzung. Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch, die Erfolge gemeinsam zu feiern – WOW! In diesem gemeinsamen Gefühl macht die weitere Planung dann gleich nochmal so viel Spaß.
Team Performance Modell, Quelle: Eigene Darstellung
Charakteristika von High Performance Teams
Legt man nun die Fragen aus dem Team-Performance-Modell über die farblich kodierten Typen mit den verschiedenen Bedürfnissen, kristallisiert sich schnell heraus, wie auch hier die unterschiedlichen Menschen sehr unterschiedliche Antworten auf ihre Fragen brauchen, um sich sicher zu fühlen. Der (rote) Einzelkämpfer erwartet von Chef oder Chefin klare Ansagen und orientiert sich daran. Der (orangene) Erfolgssuchende braucht hingegen transparente Zielvereinbarungen, um autonom darauf hinarbeiten zu können.
Reifegrad einer Organisation und Ausprägungen in den Stufen im Team Performance Modell, Quelle: Eigene Darstellung
Sie wollen noch mehr in die Thematik einsteigen und wissen, was ein erfolgreiches Team ausmachen? Dann laden Sie sich jetzt hier unseren Download zum Team Management System herunter:
In der folgenden Grafik sind alle im Text erläuterten Studien und Modelle zusammengefasst und zeigen, welche Faktoren Teams zu High Performance Teams werden lassen: Zentral ist die psychologische Sicherheit, weil sie ganz unabhängig von der Ebene nach Spiral Dynamics (oder hier dem Platz im Kreis) elementar für alle Mitarbeitenden ist. In den farblich schattierten Ringen sind die Ausprägungen für die verschiedenen Bedürfnisse für Tätigkeit/Zusammenarbeit, Team, Führung, Organisation und Sicherheit aufgefächert.
Merkmale und Ausprägungen Psychologischer Sicherheit, Team Performance Modell und Spiral Dynamics, Quelle: Eigene Darstellung
Führungskräfte, die ihre Teams mit einer reifen (Ebene grün oder gelb) oder agilen Haltung führen, sind stets bereit, sich anzupassen und neuen Herausforderungen, aber eben auch den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter*innen und Teams offen zu begegnen. Denn ein reifes bzw. agiles Mindset nimmt stets Werte und Haltungen aller Menschen und ihre individuellen Bedürfnisse in der Organisation in den Blick. Am Ende läuft alles wieder darauf hinaus, dass eben nicht alle das Gleiche brauchen, um psychologische Sicherheit zu finden, und schlägt so den Bogen zum „Project Aristoteles“ von Google, das psychologische Sicherheit als DEN Erfolgsfaktor für erfolgreiche Teams herauskristallisiert hat.
Mehr zum Thema "Wie schaffen wir psychologische Sicherheit im Team?" erfahren Sie in unserem folgenden Videobeitrag. Hier gehen wir der Frage nach, wie es Führungskräften gelingt, eine vertrauensvolle Zusammenarbeitskultur zu schaffen.