Navin Mani Dec 16, 2020 10:22:21 AM Lesezeit 4 Minuten

Digitalisierung der Bildung

#16 Blogbeitrag aus dem Adventskalender 2020

Digitalisierung der Bildung als Chance 

Lernen verändert sich. Das digitale Klassenzimmer besteht aus mehr als nur smarten Whiteboards, Unterrichtsstunden per Zoom und „Wir arbeiten nun auf Laptops”. Mit nur einem Internetanschluss ist der Zugriff auf das Wissen der Menschheit zu jeder Zeit möglich. Die Vorstellung, allen Menschen auf diesem Planeten einen Zugang zu gleichberechtigter und hochwertiger Bildung zu gewährleisten und die Möglichkeit des lebenslangen Lernens für alle zu fördern, rückt in greifbare Nähe. Davon profitieren auch andere, nachhaltige Entwicklungsziele der Vereinten Nationen indirekt, wie das Erreichen einer Geschlechtergleichstellung, das Verringern der Ungleichheit in und zwischen Ländern, das Fördern eines dauerhaften, breitenwirksamen und nachhaltigen Wirtschaftswachstums mit produktiver Vollbeschäftigung und der Aufbau einer widerstandsfähigen Infrastruktur zur Förderung von nachhaltiger Industrialisierung und zur Unterstützung von Innovationen.

Digitalisierte Bildung ist nachhaltig

Weltweit haben mehr als 264 Millionen schulfähige Kinder keinen Zugriff auf Bildung (2017). Um dies zu ändern, müssten bis 2030 etwa 70 Millionen Lehrer*innen ausgebildet werden. Ein geeigneter Einsatz von Technologie könnte diese Zahlen drastisch reduzieren. Und nur so scheint das Sustainable Development Goal (SDG) Nr. 4 „Quality Education“ der UN überhaupt erreichbar. Selbst mit dem Errichten der notwendigen Infrastrukturen, wie z.B. weltweiter Zugang zu Breitbandinternet, könnte mit einer globalen Kostenersparnis von etwa 1 Mrd. Euro pro Jahr bis 2030 durch e-Learning gerechnet werden. Die Einsparungen aus ökologischer Sicht lesen sich auch lohnenswert. Allein für Schulwege werden jedes Jahr etwa 5.000.000.000 Liter Kraftstoff verbraucht, das in einem CO2-Austausch von 1.000.0000.000 Tonne jährlich resultiert. Die besten Schüler*innen würden zukünftig nicht mehr unbedingt von den besten Schulen kommen. Es wird keinen Unterschied mehr machen, ob jemand Zugang zu Bildung in Bayern oder in Subsahara-Afrika erlangt hat.

Neue Wege gehen

Die Digitalisierung erleichtert nicht nur den Zugang zu Wissen, sondern erlaubt auch didaktisch ganz neue Wege. Gamification und VR geben uns ganz neue Möglichkeiten, das Lernen neu zu erfinden. Wir könnten in Unterrichtssituationen Szenarien realitätsnaher durchspielen und davon Erkenntnisse ableiten. So lassen sich auch für Nichtexperten komplexe Situationen erfahrbar machen. Das bedarf jedoch einer noch stärkeren Anpassung unserer klassischen Lehrpläne. Und damit auch dem Anforderungsprofil unserer Lehrer*innen.

Änderung der Lehrpläne

Die Digitalisierung der Bildung wird die Lehrpläne und Kursinhalte drastisch verändern. Der alte Frontalunterricht könnte damit Geschichte sein. Die Inhalte müssen spannend und interaktiv vermittelt werden, um für Schüler*innen nutzbar zu sein. Die technische Kompetenz von Kindern wird immer weiter voranschreiten und die Lehrpläne sollten mithalten.

Das Potenzial für größere Flexibilität, Standardisierung und sogar Globalisierung von Lehrplänen wird die Chancengleichheit erhöhen. Wir können es schaffen, dass nicht mehr nur die besten Schulen die besten Schüler*innen hervorbringen, sondern jede*r Top-Leistungen erbringen kann. Im Endeffekt können wir durch eine individuelle Lehrplanzusammenstellung gezielt die Stärken jedes Einzelnen fördern und Schwächen gezielt beseitigen.

Abschaffung der Ungleichheit

Wir sehen, Digitalisierung in der Bildung kann zum größten Ausgleichsfaktor von Ungleichheit werden. Die Welt könnte tatsächlich zum digitalen Dorf zusammenrücken. Es wird eine Veränderung unserer Schulen, unserer Lehrer*innen, und wahrscheinlich auch unserer Städte geben müssen, wenn es irrelevant ist, ob eine*e Schüler*in im Bildungshaus, von Zuhause oder im virtuellen Klassenzimmer lernt. Sicher ist jedoch, eine gut informierte und gebildete Gesellschaft, die neue Technologien nutzbringend einsetzt, ist der Schlüssel zur Transformation in Richtung Nachhaltigkeit.

Voraussetzungen

Lehrer*innen stehen vor tiefgreifenden Veränderungen. Um mit Hilfe neuer Technologien einen „guten“ Unterricht anbieten zu können, müssen bisher kaum genutzte Fähigkeiten eingesetzt werden. Um das Potenzial der fortschreitenden Digitalisierung der Bildung zu nutzen, ist es zwingend erforderlich, dass Schüler*innen und vor allem Lehrer*innen ihre Computerkenntnisse deutlich zu verbessern.

Wir müssen auch mächtig in Infrastruktur investieren. Denn ohne Breitbandinternet für jede*n, Computer oder Tablets für alle Schüler*innen und Plattformen, die digitales Lernen ermöglichen ohne dabei komplett nutzerfeindlich zu sein, wird das alles Utopie bleiben.

Risiken

Allerdings ist der Verlust von klassischen Präsenzschulen und Universitäten nicht ohne Risiken. Isolation und mangelndes Gemeinschaftsgefühl durch eine deutlich geringere persönliche Interaktion können zu Problemen werden. Dies mag keine große Herausforderung für die neue Generation sein, für die der Großteil der sozialen Interaktion online über soziale Medien stattfindet. Ältere Gruppen, gerade auch mit Hinblick auf das lebenslange Lernen und Weiterbildungen, werden sich daran noch gewöhnen müssen.

Leider wird der Shift hin zu mehr Online auch zu mehr Mobbing, Gruppendruck oder soziale Ausgrenzung führen. Denn diese werden einfach von der Offline-Welt in die Online-Welt verlagert, wo sie hartnäckiger und anonymer sind, wie es heute immer offensichtlicher wird.

Wie erreichen wir das Ziel?

Für mich überwiegen hier eindeutig die Chancen. Aber wie schaffen wir es überhaupt dort hinzukommen? Wie so oft müssen wir auch hier viele kleine Zwischenschritte einplanen.

Statt direkt auf Online umzusteigen, lohnt es sich, zunächst Blended-Learning-Formate zu etablieren. Wir können uns so langsam an die Vorteile des Online-Learnings gewöhnen, ohne gleich auf die persönliche Interaktion zu verzichten. Auch wir werden in Zukunft verstärkt auf Blended-Formate setzen. Seid gespannt, was hier demnächst zu sehen ist.

Wir müssen es schaffen, die Vorbehalte zu beseitigen. Bei uns scheint alles Digitale immer noch wahlweise als Teufelszeug oder Neuland abgestempelt zu werden. So hören wir jetzt zu Corona-Zeiten oft den Einwand, dass Online- Learning zu einer Verstärkung der Ungleichheit führe. Aber das gilt natürlich nur, wenn man es nicht schafft die entsprechende Infrastruktur anzubieten. Selbst wenn wir allen, die es benötigen einen Rechner mit SIM-Karte zur Verfügung stellen und dazu noch in Plattformen investieren, werden die Kosten durch eine erhöhte Produktivität reduziert, die Umweltbelastung deutlich überkompensiert und die Ungleichheit reduziert.

Zu oft verstecken wir uns zudem hinter vermeintlichen Datenschutzargumenten. Wir dürfen Innovationen nicht mit „aber die Daten“-Argumente stoppen. Wir müssen in der Lage sein Datenschutz und Innovation zu vereinen.

Ja, die Digitalisierung der Bildung wird ein Husarenstück, aber es wird sich lohnen. Wir – die Unternehmer*innen der Geschäftswelt – werden hier als Vorbild vorangehen müssen. Corona hat uns gezeigt, dass online doch irgendwie funktioniert. Wenn wir den Schwung nutzen, können wir auch bald die Vorteile digitaler Bildung genießen.

Schauen Sie gerne auch mal rein, was Schüler zur Digitalisierung der Bildung sagen. Hier eine Studie des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche bitkom dazu.

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Navin Mani

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