Lean Management hat seit den frühen 80iger Jahren an Bedeutung gewonnen. Heute steht es für ein Mindset, dass Erfolg reproduzierbar macht. Eine moderne Art Abläufe und Prozesse in Unternehmen zu optimieren und kontinuierlich zu verbessern. Ein erfolgreiches Unternehmen ohne Methoden des Lean Managements aufzubauen, ist kaum vorstellbar. Denn der Fokus ist bestechend klar und einfach: Nimm die Verschwendung aus den Prozessen raus und steigere die Wertschöpfung immer weiter. Welcher Geschäftsführer würde das nicht unterschreiben?
Jedoch rüttelte es die Wirtschaft in den letzten zwei Jahren ganz schön durch. Lieferketten brachen ein, Absatzmärkte verlagerten sich und stellten viele Unternehmen vor große organisatorische Herausforderungen. Bis heute gibt es noch Engpässe und Lieferschwierigkeiten. Etwas, mit dem auch die schlanksten Unternehmen zu kämpfen haben.
The leaner, the better?
Ausgehend von nur einem der Grundprinzipen des Lean Managements leitet sich eine logische Kette an vernünftigen Handlungsempfehlungen ab, die erwiesenermaßen zum Erfolg führen. Gestartet wird mit der Differenzierung von Wertschöpfung und Verschwendung: „Wertschöpfung ist alles, wofür der Kunde bereit ist zu bezahlen. Alles andere ist Verschwendung“.
Mit dieser Unterscheidung wird offensichtlich, dass der wirtschaftliche Erfolg von dem Anteil an wertschöpfenden Tätigkeiten abhängt. Oder anders gesagt: Je geringer der Anteil an Verschwendung, desto größer der Anteil an Wertschöpfung. Dieser, auf den ersten Blick vielleicht ungewöhnliche Denkansatz führt dann zu einer bestechend einfachen Handlungsempfehlung: Eliminiert die Verschwendung, oder minimiere diese zumindest weitgehend. Nun geht es nur noch darum: Wie erkenne ich Verschwendung?
Auch hier gibt es eine relativ einfache Aussage: Alles was einen davon abhält, die geplante Arbeit durchzuführen, ist ein Hinweis auf Verschwendung. Denn ist der Kunde bereit dafür zu bezahlen? Meist nicht – das ist klar. Genau das nehmen sich heutige Lean Management Top Performer zu Herzen und richten das ganze Führungsverhalten daraufhin aus: Die Probleme der Mitarbeiter beseitigen, die davon abhalten produktiv arbeiten zu können. Eine klare Servant Leadership Haltung – eigentlich perfekt.
Doch die Crux liegt im Detail. Denn hinter der Definition von Wertschöpfung liegt ein Narrativ, welches in unserer westlichen Kultur nur sehr selten hinterfragt wird.
Das fatale Narrativ
In der Definition von Wertschöpfung schwingt bereits eine Annahme mit, die uns in der Vergangenheit zwar erfolgreich gemacht hat, in den letzten Jahren und in der Zukunft aber fatale Folgen mit sich bringt.
Wenn wir davon ausgehen „wertschöpfend ist alles, wofür der Kunde bereit ist zu bezahlen“, setzen wir suggestiv und unterschwellig den Fokus auf den monetären Profit. Denn nur das, was der Kunde bezahlt, ist wertschöpfend. Ein einfaches Prinzip, welches in kapitalistisch geprägten Kulturen mit Kusshand in den Unternehmen aufgenommen wurde. Denn es ist ein einfach zu messendes Medium.
„Geld“ entscheidet darüber, was als wertvoll angesehen wird und was nicht. Und so ist auch das Bestreben der Unternehmen ganz natürlich, die Prozesse so zu optimieren, um mit einem Minimum an Budget-Ressourcen in kürzester Zeit das Maximum an monetär messbarem Wert herauszuholen.
„Reduce to the Max“ — Wohin das führt
Dieses subtile Narrativ lenkt unseren Fokus also auf die kontinuierliche Kostenoptimierung. Outsourcing wird durch starke nationale Unterschiede in den Lohn- und Betriebskosten sehr attraktiv. Es etablieren sich globale Lieferketten und unsere Wirtschaft internationalisiert und verflechtet sich immer mehr.
Ein mancher OEM hat es so weit auf die Spitze getrieben, dass dieser heute sehr stark mit dem Insourcing beschäftigt ist und verkrampft versucht, Young Professionals mit wichtigen Kompetenzen in einer „alten Kultur“ zu halten. Ein anderes Beispiel sind Lieferketten, wo Nordseekrabben im deutschen Küstenmeer gefangen, zum Pellen nach Marokko oder Indien geschifft werden, um dann wieder in deutschen Supermärkten verkauft zu werden.
Es haben sich fragile Abhängigkeiten etabliert, die bei kleinsten Störungen zusammenbrechen können. Genau diese international verwobene Lieferketten sind uns – während Blockade im Suezkanal, während Corona und auch jetzt – auf die Füße gefallen.
Müssen wir Lean Management in der Zukunft neu denken, oder gar ganz verwerfen? Wenn selbst die Lean Management Vorreiter und Vorzeigeunternehmen in dieser Zeit nicht klarkommen, ist Lean dann überhaupt noch aktuell? Passt es noch in den Zeitgeist oder wird es vielleicht von einem Nachfolger abgelöst? Welchem Missverständnis sind wir aufgelaufen?
Was steckt wirklich hinter Lean
Um Lean Management zu verstehen, müssen wir den Kontext und den Zeitgeist verstehen, in welchem es entwickelt wurde. Toyota gilt hier als das Unternehmen, welches Lean Management „entwickelt“ hatte. Viele Top Manager reisten in den 80igern, 90igern und später noch nach Japan, um das Toyota Produktionssystem kennenzulernen. Heute mehrfach kopiert, wusste Toyota ganz lange gar nicht, dass das was sie machen „lean“ genannt wird. Für die Menschen bei Toyota war es einfach nur gesunder Menschenverstand.
Zum Zeitpunkt als Taiichi Ohno Schritt für Schritt das Produktionssystem etablierte, war Japan wirtschaftlich am Boden. Noch angeschlagen vom zweiten Weltkrieg gab es nur wenige Ressourcen und Produktionsmittel, es fehlte an allem. Wichtig: Preisdruck und Wettbewerb gab es damals nicht. Vielmehr bereiteten die knappen Ressourcen dem Produktionsleiter Taiichi Ohno Kopfschmerzen.
Toyota musste nicht sparen, sondern das Beste aus dem Wenigen herausholen was sie hatten. Um die vorhandenen Ressourcen voll auszuschöpfen und die benötigte Menge zu produzieren, benötigte Toyota ein Maximum an Flexibilität und Validität in der Produktion. Ein Zwiespalt in dem auch heute viele Firmen stecken.
Taiichi Ohno hatte zu Beginn nicht vor, die Welt zu verändern oder ein großes System Namens Lean Management zu schaffen. Sein Fokus lag vielmehr auf dem Finden von Lösungen für die vorliegenden Probleme. Sein Anspruch: Das Problem zu lösen, und zwar so, dass es nicht nochmal zu Problem wird. Und seine Erfahrung lehrte ihm: Sei vernünftig (vermeide Muri, „overburden“), schau, dass es ausgeglichen ist und ins Gesamtbild passt (vermeide Mura, „unevenness“) und sei sparsam (vermeide Muda, „waste“). Mit dieser Grundhaltung entwickelten sich nach und nach die Methoden, die heute unter Lean Management zusammengefasst und bekannt, jedoch sehr oft zweckentfremdet eingesetzt wurden und immer noch werden.
Zum Beispiel legte Ohno immer großen Wert darauf, dass Prozesse nicht zu komplex wurden. Keep it simple war die Devise. Kurze, einfache, aber stabile und universell einsetzbare, bzw. austauschbare Prozesskettenglieder waren der Fokus. Denn dadurch konnte er kleine Prozessbausteine „so wie bei einem Legobaukasten“ zusammensetzen, sodass das gewünschte Kundenprodukt produziert werden kann. Natürlich musste dieses „Zusammenbauen“ schnell gehen. SMED (Single Minute Exchange of Dies) war geboren und weitere Methoden folgten.
Schlank war gestern. Sportlich ist das neue Lean
Mit diesem Hintergrundwissen könnte man meinen, dass heute viele Unternehmen sich schlank fasten bis der Kollaps kommt. Nun, auch im Leistungssport sind die Sportler nicht einfach nur schlank, sondern haben auch an den richtigen Stellen die Muskeln, die sie brauchen, um im Wettbewerb erfolgreich zu sein.
Nehmen wir uns nochmal die Definition vor und setzen einen anderen Schwerpunkt mithilfe der Erfahrung von Taiichi Ohno „Sei vernünftig, schau das es in das Gesamtbild passt, sei sparsam“. So würde ein vernünftiger Sportler sich niemals zu schlapp hungern und auch die Ruhephasen für den Muskelaufbau nutzen, damit er immer bereit ist sich zu profilieren.
Übertragen wir das nun auf organisationales Fasten oder Trainieren, dann könnte das Körperfett mit der Verschwendung und die Muskeln mit wertschöpfenden Tätigkeiten metaphorisch gleichgesetzt werden. Und wie die Sportler, so sollten auch Unternehmen sich nicht kaputt hungern, sondern einige Zeit darin investieren ihre wertschöpfenden Tätigkeiten zu stärken. Denn wertschöpfend ist alles, wofür der Kunde bereit ist zu bezahlen. Und dafür muss das Unternehmen als Ganzes wahrgenommen werden. Um wirklich erfolgreich zu sein geht es nie um ein lokales, sondern immer um das globale Optimum.
Wie wird (m)ein Unternehmen sportlich?
Auch hier können wir viel aus dem Sport und Taiichi Ohno lernen. Es braucht Ziele, die man messen kann. Es braucht Messwerte, die man selbst beeinflussen kann. Es braucht einen ehrlichen Umgang mit sich selbst, denn sich selbst etwas vorzuspielen bringt einen nicht weiter. Es braucht ein Gegensteuern bei Abweichungen vom Zielkurs. Es braucht den Blick fürs Detail, um die Abläufe genau zu analysieren und über kleinste Änderungen zur Perfektion zu gelangen. Es braucht Inspiration von anderen, um das Rad nicht neu zu erfinden oder selbst auf neue Ideen zu kommen. Es braucht ein vernünftiges Abwägen, ob und welche Maßnahmen wirklich zum Erfolg führen und welche lediglich der Bequemlichkeit dienen. Und es braucht noch vieles mehr. Vor allem aber Gewohnheiten, um ständig dranzubleiben!
Wenn auch Sie die Zusammenarbeit in Ihrem Unternehmen lieber sportlich gestalten möchten und wissen wollen, welcher Trainingsplan zu Ihrem Unternehmen passt, dann sollten wir miteinander sprechen. Ich bin Matthias Weber, Berater und Umsetzungsexperte für gut organisierte und exzellent funktionierende Zusammenarbeit. Lean Management und das Herausfinden was es für den Erfolg braucht, ist mein tägliches Brot.
Ein wichtiger Schritt, einen Prozess unter verschiedenen Parametern zu optimieren, ist ihn anfänglich klar zu definieren. Dafür stelle ich Ihnen hier kostenlos einen Canvas zur Verfügung, der es Ihnen und Ihrem Team klar und übersichtlich erlaubt alle notwendigen Schritte einer Prozessdefinition zu visualisieren.