Thomas Maikath Lesezeit 12 Minuten

Speed Innovation

Schneller innovieren, ohne zu verbrennen: Speed Innovation bei Sedus

Beim SHIFT.ED InnoCube haben Lumanaa und Sedus einen Blick hinter die Kulissen gewährt: Wie organisiert man Produktinnovation, wenn Tempo, Komplexität und Erwartungsdruck gleichzeitig steigen? In dieser Session von Christoph Dill stand ein konkreter Case im Mittelpunkt – und wie das bestehende Prinzip „Vom Markt zum Markt“ aus agilen Elementen und Stage-Gate bei Sedus in der Praxis zusammenspielt. 
 
Sedus: Vom Möbelhersteller zum Lösungsanbieter 

Sedus ist seit 1871 im Büromöbelmarkt unterwegs und hat sich in den letzten Jahren vom reinen Möbelhersteller zum Lösungsanbieter für Arbeitswelten entwickelt. Gleichzeitig wuchs der Druck: bis zu 25–30 Entwicklungsprojekte parallel, hohe Erwartungen an Nachhaltigkeit und Technik, Leitmessen wie die Orgatec als Fixpunkte im Kalender. Die zentrale Frage: Wie werden wir schneller, ohne die Organisation zu überlasten? 

Sedus wollte kein waghalsiger „First Mover“ sein, sondern ein starker Fast Follower: Trends erkennen, in 12–24 Monaten eine komplette Produktlinie in den Markt bringen – und dabei qualitativ vorne bleiben. 

Zwei Welten prallen aufeinander 
 
Vor Projektstart war bereits einiges passiert: Führungskräfte kannten Scrum, Agilität, Design Thinking, es gab erste Pilotprojekte. Gleichzeitig war die Kultur stark vom traditionellen Mittelstand geprägt – mit hoher Verlässlichkeit, Beharrlichkeit und klaren Strukturen. 

Im Alltag zeigte sich ein Spannungsfeld: 

  • viele parallele Projekte 
  • Silos zwischen Bereichen 
  • zähe Diskussionen an Prozess-Gates 
  • hoher Druck vor Leitmessen 

 
Vom Markt zum Markt: Agil und Stage-Gate 

An diesem Punkt kam Lumanaa mit dem bereits bestehenden Prinzip „Vom Markt zum Markt“ ins Spiel. Die Idee: keine Entweder-oder-Entscheidung zwischen agil und klassisch, sondern ein klar gestaltetes Sowohl-als-auch. 

Die Innovationsuhr denkt den Weg vom ersten Marktimpuls bis zur Markteinführung als Kreislauf – und teilt ihn grob in zwei Halbzeiten: 
 

Bis „6 Uhr“: agiles Vorfeld 
  • Arbeiten mit Backlogs und T-Shirt-Schätzungen 
  • Sprints (ca. drei Wochen + Review/Planungswoche) 
  • Trendworkshops, internationale Marktbeobachtung 
  • frühe Einbindung von Vertrieb und potenziellen Kunden 
  • Mitarbeit von internen und externen Designern 
    Ziel: vom Markt her denken, Hypothesen testen, Risiken früh sichtbar machen.
     
Ab „6 Uhr“: strukturierte Umsetzung im Stage-Gate-Modell 
  • Industrialisierung und Serienanlauf 
  • orchestriertes Launch-Management 
  • Marketing, Brand, Produktmanagement und Vertrieb arbeiten in klar definierten Launch-Teams 
  • statt „1000 Briefings“ gibt es abgestimmte Fahrpläne und Zuständigkeiten 

Jede Phase auf der Uhr hat einen verantwortlichen „Löwen“ – eine Führungskraft, die für ihr Stück der Strecke steht. Ein Product Owner achtet jeweils darauf, dass vor dem nächsten Gate alles geklärt ist und die Staffelstab-Übergabe funktioniert. 

Kurz gesagt: Agilität für die Entdeckung und Validierung – Stage-Gate für die robuste Umsetzung. 

 
Was sich konkret verändert hat 

Wichtig im gemeinsamen Projekt war der Grundsatz: Prozesse sollen Geschwindigkeit ermöglichen, nicht verhindern. 

Daraus sind u. a. folgende Effekte entstanden: 

  • Mehr Transparenz: 
    Sprints, Backlogs und ein simples Ampelsystem (Grün/Gelb/Rot) machen sichtbar, wo Projekte stehen und wo Unterstützung nötig ist. 
  • Weniger Druck vor Leitmessen: 
    Der Weg bis zur Orgatec ist planbarer, Feuerwehraktionen nehmen ab – die Organisation erlebt mehr Kontrolle über Tempo und Prioritäten. 
  • Klarere Verantwortung: 
    Durch die Kombination aus „Löwen“-Rollen und Stage-Gate-Struktur bleiben Themen nicht mehr „zwischen den Stühlen“ hängen. 
  • Mehr Marktnähe: 
    Sedus denkt stärker in Habitaten, also ganzen Arbeitswelten, statt in isolierten Einzelprodukten – und leitet daraus Innovationen ab (z. B. Nachhaltigkeit, technische Features, Geschäftsmodellideen). 

Budget war nie der größte Engpass. Der eigentliche Hebel lag in Speed, Fokussierung und Entlastung der Organisation – genau hier spielt die Kombination aus agilem Vorgehen und Stage-Gate ihr Potenzial aus. 

 
Fragen, die sich andere Unternehmen stellen können 

Der Case Sedus liefert weniger „Best Practice“, sondern vor allem gute Fragen, die du auf deine eigene Situation übertragen kannst: 

  • Wie viele Entwicklungsprojekte laufen bei uns parallel – und wie viele können wir realistisch stemmen? 
  • Haben wir ein klares Bild, wann agiles Vorgehen sinnvoll ist – und ab wann Stage-Gate-Strukturen helfen, den Laden zusammenzuhalten? 
  • Ist definiert, wer in welcher Phase Verantwortung trägt – wer sind unsere „Löwen“ entlang der Uhr? 
  • Wie früh holen wir Vertrieb und Kunden ins Boot – und wie systematisch nutzen wir deren Feedback? 
  • Diskutieren wir hauptsächlich Methoden – oder haben wir einen gemeinsamen Prozess, in dem agile und klassische Elemente bewusst zusammenspielen? 

Wer hier ehrliche Antworten findet, ist schon mitten im Lernprozess – ganz im Sinne des Prinzips „Vom Markt zum Markt“: Innovation so zu gestalten, dass sie schnell, tragfähig und marktnah ist – ohne dass die Organisation dabei ausbrennt.