Andreas Schrenk Lesezeit 6 Minuten

Digitale Führung

Tomas Schiffbauer, Geschäftsführer von Lumanaa wird interviewt von Andreas Schrenk

Du bist einer von zwei Geschäftsführern einer Company, die remote gegründet wurde, jetzt 3 Jahre alt ist und immer noch remote läuft. Ich würde gerne von Dir wissen, welche Erfahrungen Du mit „Führung remote“ oder „Digitaler Führung“ bisher so gemacht hast.

Du führst als Geschäftsführer einerseits die Angestellten der Firma, für die Du in einem Linien-Verhältnis verantwortlich bist. Und Du führst außerdem die Kooperationspartner, die als selbstständige Unternehmer Mitglieder der Beratungsgesellschaft sind. Hier besteht kein Linien-Verhältnis, und die Führungsprinzipien sind andere. Das Führungsparadigma, das hier in Anwendung ist, lässt sich vielleicht am besten mit „Führen ohne Macht“ beschreiben.

In so einer Remote Company findet die Kommunikation nicht immer, aber sehr oft digital statt. Dazu gehören online Meetings, aber auch Tools wie z. B. Slack, Sharepoint, Miro, ClickUp, die für die Abwicklung operativer Tätigkeiten verwendet werden. Treffen in Präsenz finden eher selten statt.

 

Und hier sind die Fragen:

 

  • Wie oft siehst Du Deine Mitarbeiter:innen?

Wir sehen uns mindestens einmal in der Woche.

Wir treffen uns jeden Freitag zur virtuellen Zusammenarbeit. Der Tag hat eine klare Struktur, mit der wir versuchen, auf der einen Seite die „zwingend“ notwendigen Dinge zu besprechen und zu erledigen und auf der anderen Seite Freiräume für individuelle virtuelle Zusammenarbeit zu geben. Das ist immer wieder ein Spagat, den wir aber ganz gut meistern. Dieser Freitag ist uns heilig, weil wir davon überzeugt sind, dass wir als remote arbeitende Firma diese Zeit miteinander verbringen, um unsere Unternehmenskultur zu pflegen und das Unternehmen weiterzubringen. Dieser Tag in der Woche ist exklusiv für unsere interne Arbeit reserviert und steht nicht für Arbeit an und in Kundenprojekten bereit.

 

  • Wie kompensierst Du Deine Abwesenheit?

Mit den Mitarbeiter:innen, mit denen ich inhaltlich mehr zu tun habe, treffe ich mich neben den Terminen am Freitag noch zu weiteren Online-Meetings, um z.B. Themen zu besprechen, die in der IT aktuell und zu entscheiden sind oder um Orga-Themen zu organisieren, die eher in die Rubrik „allgemeine Verwaltung“ fallen.

Darüber hinaus versuche ich, einmal im Monat einen Tag im Büro zu sein, um die Abstimmungen persönlich zu führen und auch Zeit für die Themen zu haben, die auf keiner Agenda stehen, um die persönlichen Beziehungen zu pflegen. – Dann bringe ich auch schon mal ein Eis mit. Zur Kompensation meiner häufigen Abwesenheit. 😉

 

  • Wie erzeugst Du Gefolgschaft bei den Leuten?

Ich bin halt „ich“ und trete so authentisch auf, wie es mir möglich ist. Ich gebe Vertrauensvorschuss und Freiräume sowie Entscheidungsspielräume.

 

  • Wie unterscheidet sich der Führungsstil, mit dem Du die Angestellten führst von dem, mit dem Du die Kooperationspartner:innen führst?

Gefühlt unterscheidet sich der Führungsstil für mich nicht. Natürlich sind die Reaktionen und Verhaltensweisen bei Angestellten und Mitarbeiter:innen unterschiedlich. Bei den Kolleg:innen ist es so, dass ich nicht weisungsbefugt bin. Deshalb mache ich Angebote, von denen ich überzeugt bin, dass sie sinnvoll sind und die Kolleg:innen und das Unternehmen weiterbringen. Ob und wie jede(r) Einzelne dieses Angebot annimmt und ausgestaltet, liegt in den Händen und den Entscheidungen der Kolleg:innen. Das ist manchmal sehr schwer auszuhalten, insbesondere dann, wenn Kolleg:innen bei ihren Aktivitäten anders unternehmerisch priorisieren, als ich das tun würde, bzw. für wichtig und zielführend halte. Das auszuhalten gehört aber eben zu unserem Konstrukt und fällt mir mal leichter und hier und da auch echt schwer. Hier habe ich noch Entwicklungspotential, damit gelassener umzugehen.

 

Bei den Mitarbeiter:innen im Backoffice sieht das etwas anders aus. Wir Geschäftsführer bemühen uns, „Augenhöhe“ herzustellen und pflegen einen kollegialen Umgang. Gleichzeitig sind wir als Führungskräfte dafür verantwortlich, die Passung zwischen Ressourcen und Anforderungen im Blick zu halten und das operative Bürogeschäft zu steuern und sicherzustellen. Wir erleben eine hohe Loyalität bei unseren Mitarbeiter:innen und großes Engagement, sowohl bei der Abarbeitung der Aufgaben als auch bei der Zuarbeit an der Schnittstelle zu den Berater:innen. Wir nehmen nicht wahr, dass aufgrund unserer Remote-Bedingungen ungeliebte oder vielleicht auch schwierige/unangenehme Aufgaben häufiger oder länger aufgeschoben werden, als ich das in anderen, weniger remote aufgestellten Unternehmen erlebt habe. Das kann aber auch daran liegen, dass mein Kollege in der Geschäftsführung häufig vor Ort ist und dadurch bei den Mitarbeiter:innen gar nicht so sehr das Gefühl vorherrscht, in einer Remote Firma zu arbeiten.

 

 

  • Welche Rolle spielt Feedback bei Deinem Führungsverhalten?

Ich glaube, dass ich situativ „Feedback“ gebe. Das mache ich bevorzugt im persönlichen Gespräch und weniger gerne online. Manchmal ist es aber so, dass es online besser ist, weil die Situation es erfordert oder der Zeitraum bis zum nächsten persönlichen Treffen zu lange ist. Denn Feedback soll ja zeitnah erfolgen. Streng genommen gebe ich aber ja nur dann Feedback, wenn ich nach einer Rückmeldung gefragt werden. Von daher würde ich sagen, dass es ein Teil meines Führungsstils ist, Menschen zu sagen, wie sie und ihr Verhalten und oder Arbeitsergebnisse auf mich wirken und was ich dazu für eine Meinung habe oder eben sage, was ich mir für die Zukunft anders wünsche. Sei es in der Zusammenarbeit oder dem persönlichen Miteinander.

 

  • Wie effektiv schätzt Du Deine Führungskompetenz ein?

Das ist eine schwierige Frage, auch oder gerade für jemanden, der auch als Coach für Führungskräfte arbeitet und Führungskräfte entwickelt. Ich bin davon überzeugt, dass ich in meiner Rolle als Führungskraft wirke und bei den Menschen, die ich führe, etwas bewirke. Mit den allermeisten Menschen pflege ich auch nach schwierigen Situationen oder Konflikten eine gute persönliche Beziehung. Gleichzeitig glaube ich, dass ich im Ansprechen von „Missständen“ oder Dingen, die mir auffallen, insbesondere in der online-Zusammenarbeit, früher aktiv werden könnte und mir die Zeit dafür nehmen sollte. Ich glaube, dass meine Art der Führung dadurch effizienter werden kann. Dadurch können Energie und Ressourcen bei den Kollegen und mir eingespart werden, die heute noch in Fantasien, Blindleistung oder Bearbeitung von „falschen“ Zielen fließen. Mir dafür die Zeit zu nehmen, wäre ein guter Entwicklungsschritt für mich und hätte positive Auswirkungen auf die Performance der Firma.

 

  • Woran merkst Du, dass Deine digitale Führungskompetenz gut wirkt?

Die Wirksamkeit meines Führungsstils mache ich daran fest, wie gut unser Unternehmen funktioniert. Damit bin ich, alles in allem, zufrieden. Verbesserungspotential gibt es natürlich auch bei uns. Betrachte ich aber das Gesamtergebnis, also wie wir mit der Art und Weise unserer Zusammenarbeit erfolgreich sind und die Qualität unserer Ergebnisse, kann ich sagen, sind wir gut aufgestellt. Wir schauen uns immer mal wieder auch bewusst an, wie die Zusammenarbeit funktioniert, was wir anders machen wollen und was wir auf jeden Fall so beibehalten wollen.

 

  • Worauf kommt es beim digitalen Führen an?

Zeit für die Pflege der persönlichen Beziehung ist für mich das A&O in der digitalen Zusammenarbeit und Führung. Wenn die Beziehungsebene gut ist, dann kann dadurch vieles kompensiert werden, was in der digitalen Zusammenarbeit sonst vielleicht untergeht, schwieriger ist oder zu Problemen führen kann. Das funktioniert bei uns ganz gut. Ich erkenne das daran, dass es eine lebendige Kultur der informellen Wertschätzung gibt (kleine Freundlichkeiten auf post its, ungefragt einen Kaffee bekommen oder ein Glas Wasser, mitbringen von Keksen oder ähnlichem. )

 

Wenn solche Nachrichten offiziell und „systematisch“ in einem Unternehmen genutzt werden, spricht man von Kudo-Karten, die Mitarbeiter:innen sich gegenseitig geben oder Kudos aussprechen, wenn sie von einem anderen Mitarbeiter und seiner Leistung oder Verhalten beeindruckt sind.

 

Die Aufrechterhaltung einer von Wertschätzung und Respekt geprägten Kultur der Zusammenarbeit geschieht nicht automatisch, sondern braucht immer Intention. In digitalen Zeiten von Remote Companys und Homeoffice müssen wir das mehr in den Blick nehmen.