Marilena Adleff Dec 10, 2021 7:00:00 AM Lesezeit 5 Minuten

Fail-Fast im Innovationsmanagement

Das hinderliche Streben nach Perfektion 

Der Traum vieler Schüler: Nach dem Abschluss mehrere Monate durch fremde Länder reisen. Weg von den Eltern und rein ins Abenteuer. Häufig wurde dabei nur das Flugticket nach Australien, Neuseeland oder andere exotische Orte dieser Welt gebucht und sich grob darum gekümmert, wo man in den ersten Tagen nach Ankunft unterkommen kann. Vielleicht hat man sich vorher noch Gedanken gemacht, welche Stationen man auf jeden Fall besuchen möchte. Aber alles, was auf der Reise sonst noch passiert, steht bei Reiseantritt noch in den Sternen. Schließlich weiß man noch gar nicht, welche Möglichkeiten sich einem vor Ort bieten, welche Leute man trifft oder wo es einen letztendlich hinzieht.  

Sie fragen sich sicher, was dieses Beispiel mit der Entwicklung neuer Produkte oder Geschäftsmodelle zu tun hat. In der Tat gibt es aber doch einige Parallelen. Denn oftmals haben die Unternehmen oder Entwickler zwar eine Vorstellung von dem, was am Ende der Entwicklung rauskommen soll und auch, welche Schritte für dieses Ergebnis gegangen werden müssen. Aber ob das geplante Ergebnis auch den Vorstellungen des Kunden entspricht oder ob man nicht doch an einigen Stellen nachsteuern und umdenken muss, ist ungewiss. Daher lautet unsere Devise: Lieber schnell mit einem neuen Produkt oder Geschäftsmodell in den Markt gehen und auf notwendigen Anpassungsbedarf reagieren, als sich mit dem Streben nach übermäßigem Perfektionismus handlungsunfähig zu machen.  

Den Kunden im Fokus 

Denn eines darf man nie vergessen: Neue Geschäftsmodelle und Produkte entwickeln wir immer für den Kunden und seine Bedürfnisse und nie für uns selbst! Und natürlich werden wir uns zu Beginn einer Entwicklung immer Gedanken darüber machen, wer unsere Zielgruppe ist, wie unsere Persona aussieht und welche Bedürfnisse sie hat, um all dieses Wissen in eine möglichst passende Lösung für unseren Kunden zu übersetzen – und dieses Vorgehen ist auch gut und richtig – aber eben noch nicht alles.  

Nur wenn wir den Kunden möglichst früh in den Entwicklungsprozess einbeziehen, sind wir in der Lage ein Geschäftsmodell oder Produkt zu entwickeln, das auch wirklich mit seinen Bedürfnissen in Einklang ist. An der Stelle sei aber auch so viel gesagt: In vielen Fällen werden Unternehmen den Punkt erreichen, an dem sie feststellen, dass das Geschäftsmodell, so toll die Idee auch in der Theorie klingen mag, in der Praxis einfach nicht erfolgsversprechend sein wird. Aber lieber in diesem Wissen frühzeitig einen anderen Weg einschlagen, als am Ende feststellen zu müssen, dass man einen Haufen Zeit und Geld ohne rentables Ergebnis investiert hat.  

Das Resultat: Viele Geschäftsmodelle wie Lime-Roller oder DriveNow sind heute noch gar nicht profitabel. Aber die Unternehmen besetzen den Markt, sind präsent und vor allem: Sie erfahren, was funktioniert und vom Kunden angenommen wird und was nicht funktioniert.  

Raus in die Welt – und das möglichst schnell 

Leider werden uns unsere Kunden aber nur im seltensten Fall in unserem stillen „Entwicklungs-Kämmerlein“ besuchen kommen. Um den Kunden als frühzeitig in den Entwicklungsprozess einzubeziehen, ist es notwendig, dass wir schnell einen Schritt vor die Haustüre wagen – auch wenn wir noch etwas wackelig auf den Beinen stehen. Ganz nach dem Motto „Fail Fast“.  

„Fail Fast“ ist dabei auch für uns als Lumanaa ein Thema. Mit unserer Idee vom InnoLoop hatten wir das Ziel, mit unseren Partnern j.con als etabliertes Ingenieursbüro und Fertigungsbetrieb mit besonderer Expertise in den Bereichen der Mess-, Steuer-, Regel- und Automatisierungstechnik und Patev als Experte für Intellectual Property unseren Kunden optimale Unterstützung in allen Bereichen einer Produktinnovation bieten zu können. Gleichzeitig war es unser Anliegen, die Expertise der erfahreneren Kollegen mit dem frischen Wind der „jungen Wilden“ zu verbinden.  

Ob unsere Kunden aber tatsächlich Bedarf nach diesem ganzheitlich gedachten Ansatz haben, darüber konnten wir zunächst nur mutmaßen. Was haben wir also gemacht: Wir haben unsere Vorstellung des InnoLoops zu einem präsentationsfähigen Entwurf ausgearbeitet. Und mit diesem Entwurf den Sprung ins kalte Wasser gewagt. Heißt konkret: Wir haben zweistündige Termine mit verschiedenen potenziellen Kunden aus unseren Netzwerken vereinbart und diesen unseren Ansatz des InnoLoops präsentiert – Ganz nach dem Motto: „Wir haben da mal was vorbereitet, was wir euch gerne zeigen wollen“. Mit jedem Termin haben wir uns so Feedback einholen können, was unsere Gesprächspartner am InnoLoop überzeugt, was nicht und wie wir unseren Konzeptentwurf aber auch die Präsentation verbesser können. Insbesondere stellte sich so heraus, dass der zentrale Kern unseres Produkts, nämlich die Ausgestaltung der Zusammenarbeit zwischen j.con, Patev und Lumanaa häufig nicht so verstanden wurde, wie von uns intendiert und wir deshalb nach der Präsentation oft die Erklärung des Zusammenspiels erneut erklären mussten. Die Kritik bezog sich dabei vor allem darauf, dass die Art der Präsentation anhand eines Praxisbeispiels mehr zu Verwirrung als zu Klarheit führen würde.  Entsprechend haben wir dieses Feedback in unsere Produktpräsentation eingearbeitet, konnten dem Kunden so ein überzeugenderes Konzept vorstellen schließlich neue Kunden für uns gewinnen.  

Neben den konkreten Verbesserungen für unser Produkt InnoLoop, habe ich aus meinen Erfahrungen mit „Fail Fast“ aber auch Learnings für mich selbst mitgenommen, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte:  

Feedback tut weh 

Ich habe mich nun im Verlauf dieses Beitrags vor allem darüber ausgelassen, wie wichtig es ist, den Kunden frühzeitig in die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Produkte einzubeziehen und möglichst früh Feedback vom Markt einzuholen. Aber ich will auch ehrlich mit Ihnen sein: Die Kritik an der eigenen Idee in mehreren Gesprächen „über sich ergehen zu lassen“, vor allem wenn sich die Kritik auf Aspekte der Idee bezieht, die man selbst eigentlich ziemlich überzeugend findet, ist, nett formuliert, nicht immer vergnügungssteuerpflichtig. Und, auch wenn wir den Weg des „Fail Fast“ ja ganz bewusst gewählt haben und klar war, dass ein potenzieller Kunde nicht alles am InnoLoop in den höchsten Tönen loben wird, fällt es dann mitunter doch schwer, andere Meinungen zu akzeptieren.  

Daher mein Tipp: Machen Sie sich den Zweck dieses Vorgehens immer wieder bewusst und der besteht nun mal darin, ganz bewusst Schwachstellen des Produkts oder des Geschäftsmodells zu identifizieren. Nur so können Sie besser werden.  

Feedback ist abhängig vom Gegenüber 

Was ich damit meine ist: Es ist wichtig, wer mit „am Tisch sitzt“.  

Einerseits fiel, je nachdem, mit wem man sich unterhält, das Feedback unterschiedlich aus. Manche Gesprächspartner waren sehr offen und bereit ihre Meinung zu teilen, für andere war die Rückmeldung mit einem knappen „war ganz gut“ abgehakt. Dabei war das Feedback oftmals ausführlicher, wenn zum Gegenüber eine gute Beziehung bestand. Allerdings muss man bei sehr guten Bekannten auch immer aufpassen, weil sich unter Umständen eine gewisse Tendenz in Richtung eines „zu guten“ Feedbacks zeigt.  

Andererseits, auch wenn dieser Aspekt in Bezug auf unseren InnoLoop eher weniger relevant war, kommt es natürlich auch darauf an, welches Ziel ich mit dem Feedback verfolge. Sind zum Beispiel technische Aspekte im Produkt oder Geschäftsmodell von hoher Bedeutung, sollte natürlich auch darauf geachtet werden, dass auch entsprechende Experten Teil der Gespräche sind. 

Feedback ja, aber systematisch 

Was wir beim InnoLoop gemacht haben, war, Gespräche zu führen und dann unsere Learnings in unsere Produktidee zu übertragen. Wie so ein Feedback-Prozess abläuft, ist natürlich auch immer stark von der Situation abhängig, aber sicherlich hätte mehr Systematik schneller zu Ergebnissen, vielleicht sogar auch zu besseren Ergebnissen geführt.  

Im Speziellen meine ich damit Überlegungen wie: Wird das Feedback mündlich oder schriftlich eingeholt? Wenn mündlich, in welcher Form wird es protokolliert? Wie wird das Feedback umgesetzt: Nach jedem Gespräch oder werden mehrere Rückmeldungen gesammelt und vor der Umsetzung inhaltlich verglichen? Lassen wir Raum für ein offenes Feedback oder setzen wir Fokus auf bestimmte Aspekte durch gezielte Fragen? 

Zum Schluss: Fail =/= Fail Fast 

„Fail Fast“ bedeutet logischerweise nicht, dass wir „bewusst“ ein schlechtes Geschäftsmodell oder Produkt in den Markt werfen. In den Markt einzutreten, bedeutet aber auch nicht, dass das Geschäftsmodell final ist und nicht mehr verändert werden darf. 

Natürlich verstehe ich die Hemmnis, dem Kunden bewusst ein „unfertiges“ Produkt vorzulegen. Aber sehen Sie es einmal so: Feedback gibt Ihnen mehr und neues Wissen über Ihren Kunden und bringt Sie damit immer einen Schritt voran. Denn, wie bereits gesagt: Am Ende des Tages entwickeln Sie nie für sich selbst, sondern immer für Ihren Kunden.