Juliane Rink Dec 4, 2021 2:52:16 PM Lesezeit 5 Minuten

Kommunikation im Unternehmenskontext

Wie Sprache unsere Sicht auf die Welt prägt und warum mehr Ehrlichkeit in Businesskontext wichtig ist. 

Und täglich grüßt das Murmeltier...

Sie alle kennen diese Sprüche:

"Jedes Problem ist nur eine Lösung von Morgen."
"Das sind doch nur dornige Chancen."
"Es gibt keine Probleme, es gibt nur Herausforderungen."

Ich hasse diese Aussagen. Hass ist ein starkes Wort - aber mir fällt kein anderes dafür ein. Vielleicht weil das ehrlich ist, ganz im Gegenteil zu allen obigen Sätzen und miesen Durchhalteparolen.

Hier ist ein Satz: "Manchmal sind Probleme genau das: Probleme."

Kein Mensch würde zu einer alleinerziehenden Mutter gehen, die zwei 2 Jobs aufnehmen muss, um die Miete in Berlin-Köpenick zu zahlen, während Sie Angst hat, dass genau ihre Straße gerade zum Gentrifizierungsvorzeigeprojekt wird, und würde sagen: "Das sind doch nur Herausforderungen, an denen du wachsen wirst."

Nein! Jeder geistig gesunde Mensch würde sagen: Dass es keine ausreichenden Kita-Plätze und schlechte Ganztagsbetreuungsangebote an Schulen gibt, ist ein Problem.

Es würde auch niemand zu einem Hedgefonds-Manager gehen, der in der Krise 2008 100 Millionen Euro seiner Anleger verloren hat (und überlegt, ob er deswegen aus dem 34. Stock seines Bürogebäudes springt) und sagen: "Kopf hoch, das ist doch eigentlich nur eine große, dornige Chance."

Das wäre zynisch. Niemand würde das tun. Ich nehme an, in dieser Gruppe wäre eine Aussage wie: „Was für eine verd*mmte Sche*ße!“ nicht ungewöhnlich und nicht unberechtigt.

Absolut keine Person würde zu einer Ärztin, die mit einer lebensbedrohlichen, aggressiven, neuen Krankheit konfrontiert wird, von der sie nicht weiß, ob diese nicht auch ansteckend ist, sagen: "Diese Krankheit, die viele Menschleben fordern wird, ist nur der erste Schritt zu einer Lösung von Morgen."

Manchmal sind Probleme einfach Probleme.

Zugegeben: die gewählten Beispiele sind extrem. Doch ich komme nicht umhin, mich zu fragen, warum uns einfällt, diese Sätze so leichtfertig zu verwenden – oft in geschäftlichen Kontexten.

Die Antwort deutet sich an: Es geht (wie so oft im Leben) um erlebte Gefühlswelten.

Wenn ich einen Marathon laufen, ein neues Produkt etablieren oder eine vierte Sprache lernen will, dann ist das erstmal ein Problem. Vielleicht weil ich keine Kondition habe, meinen neuen Markt noch nicht kenne oder mir bestimmte Vokabeln fehlen.

Doch all diesen Dingen ist gemein: Sie besitzen das Postulat der Freiwilligkeit – ja, ich will. Und das macht aus meinen eigentlichen Problemen eine Herausforderung.

Wenn meine Abteilung geschlossen wird, ich gekündigt werde oder mir ein Budget verwehrt wird, mit dem ich geplant habe, flattert die ganze schöne Freiwilligkeit zum Fenster hinaus und damit auch die Möglichkeit, eine Perspektivierung zur Herausforderung zu finden. In diesen Momenten empfinde ich das, was passiert, als Zwang – etwas, das ich nicht beeinflussen kann. Wenn ich jedoch freiwillig kündige, vielleicht ohne direkten Anschlussjob, ist das meine Entscheidung, meine Freiwilligkeit, meine gefühlte Herausforderung.

Was für ein Problem

Empathie und Sympathie - ein schmaler Grad     

Wenn also ein Mitarbeitender oder jemand, der mir unterstellt ist, zu mir kommt und sagt „Ich habe ein Problem“ – was tun?

Hören Sie zu! Versuchen Sie, diese erlebte Gefühlswelt wahrzunehmen und zu ergründen und vor allem ernst zu nehmen. In einem sehr lebendigen und anschaulichen TED-Talk von Brené Brown wird unterschieden zwischen Empathie und Sympathie. Durch ein einfaches "Drüberbügeln", also gut gemeinte Sympathie, werten wir die andere Seite und deren erlebte Emotionalität ab. Was wir damit kommunizieren: Deine erlebte Gefühlswelt hat hier keine Relevanz. Langfristig führt das zu Vertrauensverlust und zu gebrochenen Beziehungen.

Und das Paradoxe: Wenn wir diesen Satz benutzen, meinen wir es ja gut! Wir versuchen positiv zu fokussieren, Möglichkeiten aufzuzeigen und dafür zu sorgen, dass unser Gegenüber weniger leidet.

Hier greift einer meiner liebsten Wandtattoo-Kalendersprüche: "Das Gegenteil von gut ist gut gemeint."

Wenn also aus dem Vertrieb jemand kommt und sagt: „Ich habe ein Problem mit der Kommunikation zum Marketing.“, tue ich gut daran das ernst zu nehmen und anzunehmen, bevor ich etwas von Chancen fasle. Hier bewegen wir uns im Bereich der Empathie. Die Grundlage jeder emphatischen Handlung ist das Hineinversetzen in die andere Perspektive und vor allem das "Nachfühlen", also eine eigene Emotionalität zu erzeugen und zu spüren, die Sie selbst so schon einmal erlebt haben. Und glauben Sie mir – jeder hatte schonmal Kommunikationsprobleme. Ich verdiene mein Geld mit strategischer Kommunikation – ich weiß das!

Es gibt wohl kaum einen größeren Schmerz, als wenn Kommunikation komplett schiefläuft. Denken Sie nur kurz darüber nach wie oft sie schon gesagt haben: „Das habe ich so gar nicht gemeint!“.

Verstehen Sie mich nicht falsch – ich bin ja immer für einen optimistischen und lösungsorientierten Ansatz. Problemfokussiert denken und handeln - pfui, das bringt ja niemandem etwas.

Bevor ich jedoch in eine Lösung gehen kann, muss ich zuerst anerkennen, dass es ein (Überraschung!) Problem gibt.

Und nun, da wir uns darüber einig sind: zurück zu den Gefühlen.

Zweifellos sind Emotionen der stärkste Motor, den wir haben. Und Problem klingt erstmal nach Gefühlen, die ich als schlecht empfinde. Vielleicht hat die Kollegin aus dem Vertrieb Angst, dass das Marketing ihr Kompetenzen wegnimmt? Vielleicht scheut sie die Auseinandersetzung? Hier stehen zu bleiben, wäre aber zu wenig, da uns negative Emotionen immer nur von etwas wegtreiben, nie zu etwas hin.

Und hier steige ich gerne wieder mit in den Positiv-Zug ein: Ich möchte gerne auf etwas hinarbeiten, statt von etwas weg. Wichtig ist hierbei: die Bejahung des Positiven, ohne die Verneinung der Negativität.

Den Weg nicht nur beschreiben, sondern ihn auch gehen

Wenn wir nun diese beiden Komponenten haben, geht es um die produktive Annäherung. Wir müssen:

  1. Das Negative erkennen
  2. Das Negative anerkennen
  3. Die Ursache des Negativen finden (der Grund hinter dem Grund)
  4. Ein positives Zielbild erarbeiten, unter Einbeziehung aller Beteiligten
  5. Besprechen, wie der Weg vom Ist-Zustand in diese Zukunft aussehen kann
  6. Diesen Weg auch gehen – die kommunikative Arbeit leisten

Ein wesentliches Asset hierfür ist der Einsatz von strategischer Kommunikation. Wenn ich weiß, wie Emotionen funktionieren, wie ich diese verbalisieren kann und die emotionale Tragweite von Sprache verstehe, kann ich dafür sorgen, den oben stehenden Prozess zu ermöglichen und auch in meinem Sinne zu gestalten.

Gehen wir zu unserem Beispiel zurück. Die Kollegin aus dem Vertrieb hat Schwierigkeiten mit den Kollegen aus dem Marketing. Das Negative zu erkennen, kann in einer Organisation über verschiedene Wege passieren. Vielleicht äußert die Kollegin ihre Sorgen direkt im Gespräch mit den Vorgesetzten. Aufgabe einer Organisation sollte es auch sein, über diesen Rahmen hinaus Feedback, Austausch und Partizipation zu ermöglichen. Die kann über eine Projekt-Supervision, ein angeleitetes Format in der Cafeteria oder in Form von Teambuilding-Maßnahmen im Freien passieren. In welchem Rahmen auch immer: Mitarbeitende müssen die Möglichkeit haben zu sagen: "Ich habe ein Problem mit der Kommunikation zum Marketing."

Ist der Satz "Ich kann mit denen nicht arbeiten!" erst einmal ausgesprochen, geht es um den zweiten Punkt, also das Anerkennen. Wie dies gelingen kann, haben wir weiter oben schon erläutert. Üben Sie sich darin, nie direkt mit einer Lösung um die Ecke zu kommen, die immer nur ein Trostpflaster auf einer Platzwunde darstellt. Eine Antwort könnte also sein: "Ich war schon einmal in einer ähnlichen Situation mit dem Einkauf – ich weiß, wie du dich fühlst."

Gerade das Erforschen der Ursache ist ein kommunikativer Spagat. Am einfachsten gelingt dieser meist (geschulten) Menschen, die nicht direkt Teil des Geschehens sind und daher von allen als unparteiisch akzeptiert werden können. Beim Demaskieren von vorgeschobenen Gründen gilt es, feinfühlig und doch bestimmt zu sein. Oftmals erleichtern verschiedene Methoden dieses Vorgehen, so zum Beispiel Spiegeln, Trigger Tool oder Bedürfnisse vs. Strategien. Gerüstet mit diesen Werkzeugen fällt es der Kollegin vielleicht einfacher auszusprechen: „Ich habe Angst, dass der Kollege X weitreichende Befugnisse erhält und mir dann in meinen Job 'reinquatscht'. Ich habe Angst meine Autonomie und meine Stellung zu verlieren.“

Das Entwerfen des Zielbildes, hingegen, ist für strategische Kommunikatoren dann der reinste Leckerbissen: Das Zeichnen von Bildern mit Sprache ohne reine Lautmalerei zu betreiben, sondern auf übergeordnete Strategien, Leitbilder und Kultur des Unternehmens hinzuarbBusiness strategy plan over ladder leading to successeiten.

 

Dieses Zielbild muss zum einen Konsens-fähig sein, was erfordert, dass dafür auch sprachlich Zustimmung eingeholt wird, zum anderen muss es eine solche Strahlkraft haben, dass Beteiligte wenig weitere Überzeugung benötigen, sondern sich freiwillig auf die Reise machen.

 

 

 

 

Das Ziel ist klar, nur wie kommen wir hier hin? Es ist ein Aushandlungsprozess, in dem sich das überzeugendste Vorgehen durchsetzt. Auch dies kann in einem moderierten Prozess erarbeitet und von internen und externen Personen begleitet werden. Von sehr banal bis hin zu ausgefeilt: Wie diese Lösung aussieht, ist von Ihnen und Ihrer Organisation abhängig. Vielleicht sieht die Lösung so aus, dass der Prozess bzw. die Übergabe zwischen Marketing und Vertrieb noch einmal genau geklärt wird. Zusätzlich dazu kann es einmal im Quartal einen Austausch- und Strategietisch geben, an dem beide Parteien sitzen, den Ist-Stand überprüfen und an neuen Ideen der Zusammenarbeit werkeln.

Und schließlich die Umsetzung der Pläne. Ein klärendes Gespräch mit allen Beteiligten wirkt hier wirklich manchmal Wunder und gerade, wenn dies nicht der Fall sein sollte, lohnt es sich an diesen Übergängen öfter und genau hinzusehen. Schließlich verlieren die meisten Unternehmen gerade in diesen Situationen (niemand möchte von Soll-Bruch-Stellen sprechen) am meisten Schwungkraft, die auf der anderen Seite des Zaunes erst wieder aufgebracht werden muss.


Authentisch bleiben – Probleme anerkennen

Bei all diesen Überlegungen zur strategischen Kommunikation bleibt am Ende immer eins: Sie können das schönste Zukunftsbild zeichnen, die tollsten Lösungen vorstellen und die beste, neue Methode – wenn Sie am Ende dabei nicht authentisch sind, sind das alles nur Worte.

Also an alle da draußen, die in Ihren LinkedIn Profilen stehen haben: "Ich helfe Ihnen, aus Problemen Chancen zu machen" – bitte nicht. So viel würde uns verloren gehen. Was würde aus "Houston, wir haben ein Problem" werden? – nicht auszudenken.

Bleiben Sie authentisch, sagen Sie "Problem" – und zwar sowohl im privaten Umfeld als auch im beruflichen. Ihre Mitmenschen werden es Ihnen danken. Und zwar nicht nur, weil Sie sich damit nicht in die belanglose Reihe der Ewig-Optimierer einreihen, deren Sprüche gerne in Büros aufgehangen werden oder deren technische Ausstattung auf Faxgerät und PCs mit Windows XP beschränkt ist. Sondern weil wir, wenn wir uns ernst und angenommen fühlen, viel eher gewillt sind, in die Kommunikation zu gehen und damit raus aus dem Problem-Fokus.

Dafür brauchen wir Gefühle und strategische Kommunikation. Diese zwei Dinge bilden die Grundlage für den E-MOTION-Kompass, der anzeigt, was es für Gefühle gibt und ob Sie uns zu etwas hintreiben oder von etwas weg und wie die Gedankenwelt hinter den Gefühlen aussieht. Denn genau mit dieser Gedankenwelt arbeitet zielgerichtete, gelungene Kommunikation.

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Sie interessieren sich dafür wie Emotionen uns bewegen und wie das gesteuert passiert?
Dann schauen Sie sich die folgende Wissensdusche zum Thema E-MOTION an:

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