Claudia Weyrauther Nov 3, 2018 1:30:00 PM Lesezeit 4 Minuten

FÜHRUNGSTRAININGS FÜR MITARBEITER! WIE BITTE?

Über und über Trainings für Führungskräfte…und weit und breit keine für die Anderen, die Führung ebenso unmittelbar betrifft: die Mitarbeiter! Nein, ich will nicht auf „Mitarbeitertrainings“ hinaus! Es geht mir um Führungstrainings, ja richtig, Führungstrainings für Mitarbeiter. Oder sollte ich besser sagen: „Kooperationstrainings“ für Führungskräfte UND Mitarbeiter?!

Gibt es nicht? Mehr als erstaunlich! Geht es denn nicht um eine FührungsBEZIEHUNG? Und gehören zu einer Beziehung nicht zwei? Ach so, verstanden, die Führungskraft regelt das, die gestaltet die Beziehung schon – alleine. Führung also nach wie vor als One-man-show, in der Rolle des „Great-Man“.    

Und die Mitarbeiter „machen mit“. Die können das ja auch, denn „mitgemacht“ haben Mitarbeiter schon immer: Indem sie sich mehr oder weniger freiwillig in die „Beziehungsvorgaben“ ihrer Führungskräfte und des gesamten Systems „eingeklinkt“ haben.

Also weiter wie bisher.

Naja, sind wir mal ehrlich: Ganz freiwillig lief das noch nie wirklich ab. Denn je steiler das Machtgefälle zwischen Führenden und Geführten, desto weniger freiwillig ist dieses Einklinken.

Na und? Ging doch trotzdem ganz gut, mit oder ohne Freiwilligkeit.   

Also weiter wie bisher.

Halt, nicht ganz. Es gibt mindestens zwei „schlechte“ Nachrichten:

  1. Unternehmen wollen heute das Beste ihrer Mitarbeiter – immerhin. Aber: zum Einklinken „Verurteilte“ geben nicht ihr Bestes (Denken, Gestalten, Verantworten…). Das tun sie nur freiwillig.
  2. Demokratisierung und Individualisierung, die beiden großen Megatrends unserer Zeit, für die „Horizontalisierung“ dieses Machtgefälles. Mitarbeiter klinken sich immer weniger unreflektiert ins System, in eine Führungsbeziehung ein und geben ihr Bestes. Immer weniger LASSEN sich ohne Weiteres und schon gar nicht von IRGENDJEMANDEM führen.

 

KOOPERATION UND ENTSCHEIDUNG TREFFEN BEIDE SEITEN

Nun gut, immer weniger, aber doch noch einige. Denn immer noch tun sich Mitarbeiter wie Führungskräfte und Unternehmen mit dem Gedanken schwer, die Führungsbeziehung, ach was, die gesamte Kooperation bis hin zur Entscheidung über Rollen, Aufgaben und Zielen solle möglichst von „BEIDEN SEITEN“ gestaltet werden (kann ja nicht gut gehen!). Sie geben oft nur zögerlich und schwerfällig die reglementierten Beziehungsformen, die die gewohnte Kontrolle und Sicherheit bieten, auf, tun sich unendlich schwer mit vertrauensvolleren, weniger konfliktscheuen, teamorientierten, AGILEN Formen der Zusammenarbeit, egal wie „vernünftig“ weil erfolgversprechend und zukunftweisend diese scheinen. Warum?

Ich mache hier mal einen kurzen psychologisch-philosophischen Ausflug. Und zwar zum „sozialen Spiel“, das nötig ist, uns unserer selbst bewusst zu werden und uns zu definieren. Nach Sartre bestimmt der BLICK eines ANDEREN das Bewusstsein unseres „Ichs“, und meinerseits, wir ALLE benötigen diesen Blick, ein Leben lang. Das Spiel besteht nun darin, dass wir mal „Subjekt“ – Wahrnehmende, Beurteilende, Handelnde – sind, mal „Objekt“ – diejenigen, die wahrgenommen und beurteilt werden und eine Reaktion erhalten. Als Objekt wissen wir nicht sicher, was sich hinter dem Blick des Anderen an Wahrnehmung und Beurteilung verbirgt. Es entsteht in uns, wenn auch nur für einen kurzen Moment, ein innerer Zustand der Unsicherheit und Unfreiheit (Sartre spricht gar von Knechtschaft!), den es immer wieder neu zu überwindenden gilt.

Und nun sind wir auch schon wieder beim eigentlichen Thema FührungsBEZIEHUNG und dem Nicht-mit-einbeziehen der Mitarbeiter: Führungskräfte als „Knechte“ ihrer Mitarbeiter? Geht gar nicht! Und ja, je historisch älter der Führungsansatz, desto mehr soll genau das verhindert werden: Dass der Machthaber zum (beurteilten) Objekt und der Knecht zum (beurteilenden) Subjekt wird! Daran hatte „das System“ nun wirklich kein Interesse!   

Und dieses – von allen verinnerlichte – System, die alten Machtverhältnisse, ziehen immer noch erstaunlich häufig und erstaunlich klar eine Linie zwischen Führende und Geführte. Wie viele Mitarbeiter kennen Sie, die unaufgefordert ihrer Führungskraft ernstzunehmende persönliche Rückmeldung geben? Wobei ich zugeben muss: Die (Arbeits-)Welt ist diesbezüglich – Heureka! – schon recht heterogen. 

FÜHRENDE WERDEN ZUM BEURTEILTEN OBJEKT   

Natürlich ist es nicht immer leicht und potenziell schmerzhaft, immer wieder auch Objekt, Beurteilter, zu sein – und im Zuge des notwendigen lebenslangen Sich-selbst-entwickelns sein zu MÜSSEN! Denn es lässt sich nur schwer mit (alten) Vorstellungen des Wissenden, Überlegenen, Herrschenden vereinbaren; Vorstellungen, die auch heute noch Menschen zur Übernahme einer Führungsposition motivieren und die die Erwartungen der Mitarbeiter an ihre Führungskraft prägen.

Dass sich diese Vorstellungen und Erwartungen verändern, zeigen neue Begriffe wie „Begleiter“, „Ermöglicher“ oder „Coach“. Dennoch bleibt es ehrlicherweise Führung, die trotz aller individueller und gruppenbezogener Selbstführung nicht nur weiterhin von Bedeutung sein sondern immer auch natürlich entstehen wird.

Dem persönlichen Commitment und Einsatz tut das allerdings keinen Abbruch. Führung muss und sollte nicht abgeschafft werden. Vielmehr sollte es darum gehen, die Führungsbeziehungen so zu gestalten, dass sich alle Beteiligte wechselseitig gesehen und ernst genommen fühlen.   

Und die Zeit ist reif dafür. Denn viele von uns, Führungskräfte wie Mitarbeiter, sind heute aus einem anderen Holz geschnitzt. Mit Hilfe unserer persönlichen „ersten Führungskräfte“ (Eltern, Erziehern, Lehrern…) konnten wir Erfahrungen mit einer neuen Form von Macht machen, mit einer Macht, die bereit ist, selbst auch mal bewusst Objekt zu sein, unseren (Kinder-)BLICK nicht nur auszuhalten sondern ernst zu nehmen. Diese Erfahrungen prägen unsere Auffassung von Führen und Geführtwerden. Sie haben aus uns ehemals Kleinen Große gemacht, die Beziehungen auf Augenhöhe suchen, unabhängig von Rollen.

Was uns dabei nicht weiterbringt:

  • Das ungeduldige, unbegleitete EINFORDERN neuer Kooperationsform.
  • Führungstrainings, die sich mit FührungsMETHODEN statt mit dem Feinstofflichen der FührungsBEZIEHUNG befassen.
  • Das NICHT-EINBEZIEHEN der Mitarbeiter.

Was uns weiterbringt:

  • Die Erkenntnis und Akzeptanz, dass eine neue Kultur des Führens und Geführtwerdens, zu der sich alle bekennen, nur durch die gemeinschaftliche Auseinandersetzung aller Beteiligter entstehen kann.
  • Der Mut, einzugestehen, dass ALLE Beteiligten Lernende und somit in ihrer Entwicklung voneinander abhängig sind.
  • Die mutige, optimistisch-beharrliche, Fehler und Lernen zulassende Entwicklung und vor allem Umsetzung einer neuen Kultur des Führens und Geführtwerdens.
  • Maßnahmen (und ich gehe hier bewusst weg vom provokanten Titel!), die dies unterstützen:
    • Workshops, in denen alle Beteiligten „abgeholt“ werden (Vorstellungen, Wünsche, Befürchtungen, Unsicherheiten)
    • Teamarbeit, die den Dialog und das Vertrauen untereinander fördert
    • Trainings zu wesentlichen Prozess-/Kooperations-Kompetenzen (Reflexions- und Empathiefähigkeit, Kommunikation, Umgang mit Konflikten, …)