Wie mache ich mein Unternehmen für Bewerber:innen und Mitarbeiter:innen attraktiv? Wie ziehe ich Fachkräfte und Wissensarbeiter:innen an? Und fast noch wichtiger: Wie schaffe ich es, dass sich meine Mitarbeitenden sozusagen in mein Unternehmen verlieben und ihm treu bleiben?
Im Kern geht es – wie in jeder guten Beziehung – darum, dass Menschen sich bei mir wohl fühlen. Wie mache ich also mein Unternehmen zu einem Ort, an dem sich Menschen wohl fühlen, an dem die Qualität von Beziehungen wichtig ist? Denn reines Geldverdienen rückt insbesondere bei jüngeren Menschen immer mehr in den Hintergrund. Sie suchen genau das: einen Ort, an dem sie glücklich werden können. Sie möchten sich beruflich entfalten, mitgestalten, mehr Verantwortung übernehmen, und das auch als Fachkraft im Team und nicht zwingend als Führungskraft. Sie möchten sich einbringen, Produkte mit entwickeln und das Unternehmen gestalten. Klingt toll, ist aber viel schwieriger zu erfüllen, als erfolgreiche Mitarbeiter:innen mit Boni oder einem Dienstwagen zu belohnen. Denn wer sich als Person weiterentwickeln kann, ist gar nicht so sehr auf die nächste Gehaltserhöhung aus. Kurz gesagt: Glück schlägt Kontostand.
Zufriedenheit reicht dafür nicht aus. Das zeigen der aktuelle World Happiness Report und die Wechselstudie der Forsa. Im Glücksreport unterscheiden die Befragten ganz klar zwischen Zufriedenheit (dafür reichen gutes Gehalt und Flexibilität) und glücklich sein. Genau das unterstreicht die Wechselstudie der Forsa: Zufriedene und sogar sehr zufriedene Mitarbeitende sind trotzdem wechselwillig. Glückliche Mitarbeiter:innen hingegen fühlen sich emotional verbundener, was das Loslassen schwieriger macht.
Wie aber schaffen wir Rahmenbedingungen, in denen sich unsere Mitarbeiter:innen glücklich fühlen?
Laut der Kulturwissenschaftlerin Annegret Braun, die an der Ludwig-Maximilians-Universität in München unter anderem zum Thema Glück forscht, sind sich die Glücksforscher einig: Beziehungen sind die größte Glücksquelle. Beobachtbar ist zudem, dass das Bedürfnis der Menschen nach echten Beziehungen – und hier vor allem nach Qualität in den Beziehungen – größer wird, je technischer sich unser Umfeld verändert, je mehr KI-Tools im Einsatz sind. Glücksfördernde Rahmenbedingungen zeichnen sich, so Annegret Braun, dadurch aus, dass Mitarbeitende – auch Azubis/Trainees/Berufsanfänger:innen – von Anfang an gefördert werden, autonom zu handeln und in einer Zusammenarbeitskultur eingebunden sind, in der jede/r gesehen, gehört und geachtet wird – und zwar hierarchieunabhängig.
Der Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Führung. Wenn von Unternehmensinhaber:in über Bereichsleitungen bis zu den Teamsprecher:innen alle Führungsverantwortlichen auf die Beziehung zu ihren Mitarbeitenden, aber auch zu Kunden und anderen Stakeholdern, Wert legen und mit guten Beispiel voran gehen, dann wird dieser Wert im 2. Schritt auch von der Belegschaft übernommen und zur Unternehmenskultur. Ganz „nebenbei“ entsteht dadurch sogar psychologische Sicherheit. „Psychologische Sicherheit ist die gemeinsame Überzeugung aller Mitglieder eines Teams, dass es (innerhalb des Teams) sicher ist, zwischenmenschliche Risiken einzugehen.“ (Amy Edmondson, 1999).
Was Führungskräfte konkret in ihren Teams umsetzen können, um qualitativ gute Beziehungen zu pflegen, ist in Abb. 1 aus meiner Wissensdusche mit Steffi Gröscho zum Thema: „Wie schaffen wir psychologische Sicherheit im Team?“ dargestellt:
Abb. 1: Wie Führungskräfte psychologische Sicherheit beziehungsWeise fördern können.
Anziehungs- und Bindungskraft durch Kongruenz der drei Seiten einer Employer Brand
Wer die Identität des eigenen Unternehmens schärft, macht immer besser sichtbar, was kulturell im Unternehmen passiert: Wie gehen wir zwischenmenschlich miteinander um? Welche Werte leben wir? Was kann ich von Führungs-, aber auch von Kolleg:innenseite erwarten?
Eine solche Identität hat ähnlich wie eine echte Person mehrere Seiten (siehe Abb. 2) aus meiner Wissensdusche mit Claudia Weyrauther zum Thema „Gehen oder bleiben? Mitarbeiterbindung ist Aufgabe der Führungskräfte“:
Abb. 2: Wie kann Employer Branding gelebt werden? (Quelle: Management Kompakt. Wiesbaden: Springer Fachmedien, S. 21).
- Die Schauseite (nach außen gerichtet): Wie will ich gesehen werden? Das zeigt sich beispielsweise auf der Website oder im Recruiting.
- Die formale Seite (nach innen gerichtet, wie wir sein wollen): Diese meint Prozesse und Strukturen als Regelwerk für die Zusammenarbeit und Kommunikation. Wie sind unsere Kommunikationswege definiert? Wie sind unsere Entscheidungsprozesse geregelt? Was nehmen wir uns für die Führung und Zusammenarbeit vor?
- Die informale Seite (was tatsächlich gelebt wird): Wie gehen Führungskräfte mit ihren Teams um? Hat jede/r nur seinen eigenen Bereich im Blick oder fühlen sich alle über die gemeinsamen Unternehmensziele miteinander verbunden? Wie behandeln Mitarbeitende Kunden und Lieferanten? Was ist besprechbar und was darf nicht angesprochen werden?
Es ist utopisch, alle drei Seiten völlig deckungsgleich übereinander legen zu können. Was aber eine anziehende und vor allem bindende Employer Brand auszeichnet, ist, dass alle drei Seiten kongruent sind, sich also nicht widersprechen. In der Realität gilt es, Räume dafür zu schaffen, dass Unterschiedlichkeiten zwischen den Seiten zur Sprache kommen dürfen, und ein wertschätzender Austausch darüber möglich ist.
Wenn stärkere Dissonanzen zwischen der Schauseite und der formalen Seite entstehen, schreckt das Bewerber:innen bereits im Recruitingprozess ab. Denn das Unternehmen muss halten, was es auf der Schauseite verspricht. Interessent:innen spüren sofort, wenn das Bewerbungsprozedere nicht zum vorgegebenen Employer Brand passt, spätestens im Vorstellungsgespräch. Kommen neue Mitarbeitende ins Unternehmen, erfahren sie ganz viel über die informale Seite der Organisation, weil sie diese im Onboarding-Prozess hautnah kennen lernen. Sie können also direkt abgleichen, ob auch die informale Seite zur Schauseite und der formalen Seite passt, die sie bereits im Bewerbungsprozess kennen gelernt haben. So passiert es immer wieder, dass Menschen sich wegen einer überzeugenden Employer Brand (auf der Schauseite) für ein Unternehmen entscheiden und dann wieder gehen, wenn die Führungs- und Zusammenarbeitskultur im Unternehmen (die informale Seite) nicht zu den Werten dieser Brand passt.
Das Aufdecken der informalen Seite beim Storytelling im Employer Branding-Prozess
Wenn wir mit lumanaa Unternehmen im Employer Branding-Prozess begleiten, starten wir diesen in einem Narrativ-Workshop mit möglichst einem Querschnitt der Mitarbeitenden. Denn die Kultur einer Organisation (die informale Seite) spiegelt sich in den Geschichten, die in der Belegschaft kursieren und normalerweise gerne am späten Abend bei Firmenfeiern zum Besten gegeben werden. Wir Menschen erzählen uns schon immer Geschichten, auch an unserem Arbeitsplatz: Anekdoten vom letzten Firmenfest, Erfolgsgeschichten über gemeinsam errungene Erfolge oder auch Alltagsgeschichten wie die Absprachen zur Fahrgemeinschaft oder wie es gelungen ist, gemeinsam „die Kuh vom Eis zu holen“. In diesen emotionalen Geschichten spiegelt sich, wer wir sind und wer wir sein wollen, welche Regeln zu befolgen sind und wo wir unsere Grenzen definieren, was also erlaubt und was nicht erlaubt, ggfs. sogar bestraft wird. Durch emotionale Geschichten (nicht zu verwechseln mit belanglosem Tratsch) verbinden wir uns miteinander und schaffen dadurch Identifikation und Zugehörigkeit.
Im 1. Schritt sammeln wir diese Geschichten, um sie für alle im Unternehmen sichtbar und im 2. Schritt bewusst reflektierbar zu machen. Was sind wirklich unsere Werte und stehen wir als Führungsmannschaft tatsächlich dahinter? Helfen unsere Werte und die Art, wie wir miteinander umgehen, auch in Zukunft unsere Mitarbeitendenbedürfnisse zu erfüllen und unsere Unternehmensziele zu erreichen? Schaffen wir damit Rahmenbedingungen, die jede/n Einzelne/n in ihre/seine Wirkmacht bringen oder behindern wir diese unabsichtlich? Im 3. Schritt stellt sich die Frage nach Konsequenzen: Was müssen oder sollten wir ggfs. an der formalen Seite anpassen oder verändern? Wie nehmen wir alle mit? Gibt es Ideen dazu in der Belegschaft? Wie halten wir diesen Prozess am Laufen?
Es ist wichtig, dass diese Entwicklung nicht nur von der HR-Abteilung und der Geschäftsleitung getragen wird. Denn um zu erfassen, was die DNA der Organisation ist, brauche ich einen Querschnitt durch das Unternehmen – am besten vom Vorstandsvorsitzenden bis zur Reinigungskraft. Die unterschiedlichen Perspektiven zeigen, ob die Werte und Zusammenarbeitskultur im ganzen Unternehmen ankommen.
Erst im 4. Schritt befassen wir uns mit der Schauseite und der Frage, was davon unsere Bewerber:innen-Zielgruppe anzieht und was uns von den mitbewerbenden Unternehmen abhebt in den Augen unserer Zielgruppe. Hier gilt es Bewerber:innen mit den richtigen emotionalen Geschichten zu begeistern. Denn zu einer kongruenten Arbeitgebermarke gehört auch, dass die internen Geschichten für das Außen anschlussfähig sind. Um die richtigen Fach- und Führungskräfte anzuziehen, sollten wir uns immer fragen, welche Geschichten auf die Arbeitgeberpositionierung einzahlen und anziehend sind für die Menschen, die wir in den nächsten 5 Jahren brauchen.
Was macht also eine Employer-Love-Brand aus?
Der kulturelle Aspekt im Unternehmen bekommt einen immer größeren Stellenwert für Bewerber:innen, aber auch für die Mitarbeitenden, die wir langfristig halten wollen. Deshalb ist es so wichtig, dass die beschriebenen drei Seiten der Employer Brand stimmig sind und sich nicht widersprechen. Ist dies der Fall, werden im Innen wie im Außen die gleichen Werte transportiert, machen die emotionalen Geschichten die Schauseite glaubwürdig. Die Identität des Unternehmens wird spürbar, weil sie authentisch ist. Zur Employer-Love-Brand wird eine Arbeitgebermarke dann, wenn die Menschen in der Führungs- und Zusammenarbeitskultur im Mittelpunkt stehen. Die Qualität der Arbeitsbeziehungen ist dabei der Schlüssel.
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