Claudia Weyrauther Dec 4, 2023 7:00:00 AM Lesezeit 7 Minuten

Stallgeruch ist alles! Wie riecht Ihr Unternehmen?

Wonach riecht Ihr Unternehmen? Nach Energie? Gestaltungsspielraum? Motivation? Oder überwiegen eher nach Stress, Überforderung oder Angst?

Bevor wir uns dieser Frage näher zuwenden, überlegen Sie doch einmal, welche Gerüche aus Ihrer Kindheit Ihnen heute noch präsent sind? Omas Apfelkuchen? Das Parfüm der Lieblingstante? Dieses eine besondere Vanille-Eis, das es immer nur im Urlaub gab? Ein Ferienhaus, das beim Öffnen der Tür schon die Erinnerungen aus vergangenen Sommerferien weckt?

Welche Gerüche Sie auch immer verinnerlicht haben: Gerüche sind mit Wohlbefinden oder unangenehmen Erfahrungen besonders stark verknüpft und so in der Lage, uns direkt und unmittelbar in eine bestimmte Situation hineinzuversetzen – und zu den dazu abgespeicherten Gefühlen. Ob man sich an einem Ort wohlfühlt oder nicht, hat auch mit dem Geruch zu tun. Ist er uns sehr fremd, fällt es uns schwer, uns zu entspannen und als Person zu öffnen. Ist er vertraut und mit positiven Erfahrungen verknüpft, kommen wir ganz schnell an und gehen offen in die neue Situation.

Was also hat es mit dem Stallgeruch auf sich?

Die Unsicherheit der Welt, in der wir und auch die Unternehmen sich bewegen, ist in Anbetracht der multiplen Krisen riesig. Neu ist auch, dass Unternehmen sich als Arbeitgeber*innen in Zeiten des Fachkräftemangels bei den Bewerber*innen und den Mitarbeiter*innen positionieren müssen. Das geschieht über die Unternehmenskultur, man könnte auch sagen, dem Stallgeruch.

Zugleich ist die Spanne von Menschen, die wir heute an unser Unternehmen binden wollen, viel breiter, als das früher der Fall war. Da war als Stallgeruch vielleicht das gemeinsame Feierabendbier ausreichend. Das genügt heute nicht mehr. Vielmehr gilt es, sich in neue Welten einzufühlen und zu verstehen, wie es gelingen kann, junge und ältere Mitarbeiter*innen mit ihren vielfältigen und sehr unterschiedlichen Interessen und Bedürfnissen gleichermaßen für das Unternehmen und seine Werte zu begeistern.

Diese Bandbreite zusammenzubringen, kann nur mit einer modernen Unternehmenskultur gelingen, die den Bedürfnissen aller Arbeitnehmer*innen ganzheitlicher entspricht und ihnen wertschätzend gegenübertritt. Es braucht also einen neuen Stallgeruch, eine Entwicklung und Freiraum fördernde Kultur im Unternehmen, um Fach- und Führungskräfte anzuziehen und sie dann auch halten zu können.

Was zeichnet eine solche neue Kultur aus und wie riecht denn dieser neue Stallgeruch?

In der nachfolgenden Übersicht haben wir einmal gesammelt, was bei unseren Kulturentwicklungsprojekten in den letzten Monaten Themen zum „neuen Stallgeruch“ waren:

Vorstellungsgespräch
  • Gesprächsatmosphäre ist kollegial und ungezwungen.
  • Das Gegenüber ist präsent und nimmt sich Zeit zum Kennenlernen.
  • Das Gegenüber ist an ihrer Gesamtpersönlichkeit interessiert und
    daran, sich selbst auch als Person und nicht nur als Rolle zu zeigen.
  • Mit Schwächen der Organisation wird proaktiv umgegangen.
  • Es wird nach Kompetenzen, Problemlösungsstrategien, Führung und Teamerfahrungen gefragt.
  • Beim Firmenrundgang werden Mitarbeitende vorgestellt und Begegnungen geschaffen.
Führungsverständnis
  • Führen heißt vor allem, Leben in Menschen zu wecken; sie dazu zu bewegen, das zu tun, wozu sie fähig sind.
  • Die Führungskraft setzt auf Vertrauen im Team und fühlt sich dadurch motiviert.
  • Die Führungskraft ist direkter Ansprechpartner, um Ideen und Lösungencgemeinsam zu entwickeln.
  • Die Führungskraft sieht den Menschen als Ganzes (und nicht nur die Rolle) und versucht, die Motive ihres Gegenübers zu verstehen und im richtigen Maß zu reagieren, so dass echte Kooperation entsteht.
  • Die Führungskraft baut in der Zusammenarbeit mit verschiedensten Menschen Beziehung auf, weil sie die Gemeinsamkeiten sieht.
  • Werte kann man nicht lehren, sondern nur vorleben.

Zusammenarbeit & Reflexion

  • Vertrauen herstellen
  • Sich emotional öffnen und mit anderen in Verbindung gehen
  • Entspannte, authentische Offenheit im Gespräch
    (statt Smalltalk oder Selbstinszenierung)
  • Gelassener Umgang mit der Verschiedenheit von Menschen
  • den Menschen als Ganzes sehen
  • Empathie und Perspektivenwechsel
  • Sich als Teil des Ganzen sehen (Umwelt, Organisation, Team)
  • Akzeptanz der eigenen negativen Anteile (Schattenseiten) und vor anderen dazu stehen
  • Schaffung von Teilhabe durch stärkenorientierte Zusammenarbeit und kreativem Austausch auf Augenhöhe

Umgang mit Regeln

  • Regeln sind ein notwendiger Rahmen – WENN nicht alle am gleichen Strang ziehen.
  • Regeln bieten wohlwollende Orientierung.
  • Regeln sind gemeinsame Aushandlungssache.
  • Sie sollten regelmäßig geprüft werden, ob sie noch das gewährleisten, was sie beabsichtigen.
  • Weniger ist oft mehr!
  • Regeln dienen den Menschen und nicht umgekehrt.
  • Regeln sind daher im Wandel.

Umgang mit Kritik

  • Das kritisierende Gegenüber wird ernst genommen.
  • Probleme & Kritik werden als Lernchancen gesehen und für die persönliche Weiterentwicklung begrüßt.
  • Feedback & Kritik wird aktiv eingefordert und „ungeschminkt“ gegeben (Klarheit).
  • Im Team haben alle 100 % Verantwortung für das Ziel und den Zusammenhalt.
  • Fähigkeit zu Kompromissen und gemeinsamen Lösungen werden durch übergeordnete gemeinsame Werte geschaffen.
  • Respektieren der eigenen und der Autonomie anderer

Eine moderne Unternehmenskultur hat viel mit Vertrauen, Reflexion und Teilhabe zu tun. Die Menschen im Unternehmen können sich mit ihrer ganzen Persönlichkeit und nicht nur in einer Rolle einbringen. Sie haben den Raum, eigene Schwächen offen zuzugeben, weil die Beziehung untereinander im Team sicher ist. Keiner muss sich mehr hinter Small Talk oder Selbstinszenierung verstecken, sondern kann sich als Persönlichkeit einbringen.

Das führt dazu, Angst und Stress zu reduzieren, und die Energie für das gemeinsame Vorankommen zu nutzen. Bei gegenseitigem Vertrauen können Ideen offen ausgesprochen werden, ohne dass einzelne dafür Kritik fürchten müssen. Genauso können Ideen aber auch verworfen werden, wenn sie nicht passen. Ein solcher Austausch auf Augenhöhe führt zur Teilhabe aller und einer ganz neuen Verbundenheit im System.

Aber auch in einer offenen, auf Teilhabe ausgerichteten Kultur sind Regeln notwendig. Diese sind aber nie unumstößlich, sondern dienen dem Menschen und nicht umgekehrt. Sie sind und bleiben im Wandel. Denn in einem solchen Kulturentwicklungsprozess ist es notwendig, Dinge anders zu benennen und anders wahrzunehmen. Das hilft dabei, nicht an Regeln um ihrer selbst Willen hängen zu bleiben und so neue Gestaltungsspielräume zu eröffnen.

Ebenso wird sich der Umgang mit Kritik im Team verändern und entwickeln, was viel mit Bewusstheit zu tun hat. Probleme und Kritik werden als Lernchancen gesehen und aktiv eingefordert. Sind alle im Team in der Lage, mit Kritik offen umzugehen und an der Sache orientiert, vermeidet dies Rechtfertigungsschleifen und Fingerpointing. Die Grundhaltung ist vielmehr: Was kann jede*r einzelne tun, damit das Team gut zusammenarbeitet? So werden nicht einzelne für Fehler oder Versäumnisse verantwortlich gemacht, sondern jede*r muss sich bewegen und seinen Teil zum Teamerfolg beitragen.

Die Vorbildrolle der Führungskräfte kann dabei gar nicht hoch genug aufgehängt werden. Daher ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor, in die individuelle Reifeentwicklung von Entscheidungsträger*innen zu investieren. Und das geht nicht „über Nacht“! Denn die meisten von ihnen sind noch in einer viel hierarchischeren Unternehmenskultur „groß geworden“ sind. Es fehlen Vorbilder, von denen es sich durch Beobachtung und Erleben lernen lässt. Wer also eine neue Kultur authentisch etablieren und erlebbar machen möchte, sollte sich fragen, wie er oder sie seine Führungskräfte befähigen kann, diesen Weg gestalten zu können und was es an Rahmenbedingungen braucht, damit kombiniert durch Team- und entsprechende Organisationsentwicklung ein Umfeld geschaffen wird, in dem ein anziehender und bindender Stallgeruch sich entfalten kann.

Und wie „riecht“ die Kultur in Ihrem Unternehmen?

Erkennen Sie sich und Ihr Unternehmen in dem oben Beschriebenen wieder? Bei wie vielen dieser Punkte hatten Sie das Gefühl, das leben wir schon? An welchen Stellen sind Sie erst „auf dem Weg“ zu einer modernen Unternehmenskultur?

Wir beobachten in unserer Beratungstätigkeit, dass sich viele Unternehmen an sehr unterschiedlichen Stellen befinden. Weil diese Kulturentwicklung ein großer Transformationsprozess ist, ist es wichtig, sich regelmäßig zu fragen: Wo sind die größten Entwicklungspunkte, die einen neuen Stallgeruch erzeugen, der authentisch ist? Wie können wir Anziehungs- und Bindekraft unserer neuen Kultur, unseres neuen Stallgeruchs optimal entfalten? Was braucht es dafür auf der persönlichen Ebene von Führungskräften und Mitarbeitenden? Was braucht es dafür aber auch auf der Team- und Organisationsebene?

Und wie sieht Ihre Strategie dazu für 2024 aus? Es gilt Ihre Kultur sichtbar und bewusst und damit auch messbar zu machen, um sie letztendlich weiterentwickeln zu können. Anregungen bieten wir in unserem Download Kulturentwicklung neu gedacht.

Kulturentwicklung neu gedacht hier herunterladen